Wie viel Originalität steckt in Schokolade?
Jedes Jahr zu Ostern steht er millionenfach in den Regalen: der goldene Schokoladenhase von Lindt. Mit seiner glatten Verpackung, dem roten Halsband und dem Glöckchen ist er zu einem Symbol geworden. Doch hinter dem niedlichen Anblick verbirgt sich ein erbitterter Rechtsstreit, der zeigt, wie komplex das Urheber- und Markenrecht in der Praxis ist. Der sogenannte „Goldhase-Streit“ hat sich über Jahre durch alle Instanzen gezogen – und gleich mehrere rechtliche Grundsatzfragen aufgeworfen. Dieser Artikel zeigt, worum es wirklich ging, was der Bundesgerichtshof dazu entschieden hat und was Verbraucher, Kreative und Wettbewerber daraus lernen können.
Der Ausgangspunkt – Schokolade trifft Markenschutz
Der Streit begann damit, dass die Lindt & Sprüngli GmbH Wettbewerber daran hindern wollte, ebenfalls goldverpackte Schokoladenhasen zu verkaufen. Die Lindt-Hasen sind in Deutschland seit Jahrzehnten ein Verkaufsschlager – mit einer besonderen Farbgebung: glänzendes Gold, rote Schleife, Glöckchen, markante Ohrenform. Lindt beanspruchte für sich, dass dieses Design markenrechtlich geschützt sei. Doch mehrere Gerichte sahen zunächst keinen ausreichenden Schutz – bis der Bundesgerichtshof 2021 eine klare Wendung einleitete.
Die Entscheidung des BGH – Marke durch Verkehrsgeltung
Mit Urteil vom 29. Juli 2021 – I ZR 139/20 („Goldhase III“) entschied der Bundesgerichtshof, dass Lindt sich auf eine Benutzungsmarke im Sinne von § 4 Nr. 2 MarkenG berufen kann. Voraussetzung dafür sei, dass die Gestaltung des Hasen – insbesondere die Farbgebung in Goldmetallic – in den Augen der Verbraucher als Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen erkannt werde. Und genau das konnte Lindt nachweisen: Über 70 % der befragten Kunden ordneten die Farbgestaltung dem Unternehmen Lindt zu. Damit sei die Farbe im Zusammenhang mit dem Hasen markenrechtlich geschützt – nicht als eingetragene Farbmarke, sondern durch Verkehrsgeltung.
Beleg:
BGH, Urteil vom 29.07.2021 – I ZR 139/20, „Goldhase III“
Warum Urheberrecht keine Rolle spielte
Interessant ist, dass der Streit letztlich nicht über das Urheberrecht, sondern über das Markenrecht entschieden wurde. Denn obwohl es theoretisch denkbar wäre, ein besonders kreatives Produktdesign auch urheberrechtlich zu schützen, sind die Anforderungen dafür hoch. Der Goldhase von Lindt ist ein funktionales Massenprodukt – und auch wenn er originell gestaltet ist, fehlt es nach überwiegender Auffassung an der „Schöpfungshöhe“, die für ein urheberrechtlich geschütztes Werk erforderlich ist.
Wettbewerb und Nachahmung – was erlaubt ist, was nicht
Das Urteil hat weitreichende Folgen. Denn Wettbewerber dürfen keine Schokoladenhasen mehr mit ähnlicher Goldverpackung verkaufen, wenn dies zu einer Verwechslungsgefahr mit dem Lindt-Produkt führt. Der Schutz durch Verkehrsgeltung greift sogar dann, wenn keine Eintragung im Markenregister vorliegt. Wichtig ist allerdings: Der Schutz bezieht sich nicht auf die Form des Hasen selbst, sondern auf die Kombination von Goldfarbe und Erscheinungsbild. Wer einen Hasen mit anderer Farbgebung verkauft, ist nicht zwangsläufig betroffen.
Was du als Verbraucher oder Händler wissen musst
Für Verbraucher bedeutet das Urteil: Die Verpackung kann mehr sein als bloße Hülle – sie ist oft Teil der geschützten Markenidentität. Wer eigene Produkte gestaltet oder vertreibt, sollte daher genau prüfen, ob Farbgebung, Form oder Gestaltungselemente mit etablierten Marken konkurrieren könnten. Händler, die Nachahmungen verkaufen, riskieren Abmahnungen oder gerichtliche Unterlassungsverfahren – mit erheblichen Kostenfolgen.
Tipps der Redaktion
Der Goldhase von Lindt ist nicht nur ein Marketingerfolg, sondern auch ein juristisches Lehrstück. Wenn du Produkte entwickelst, vertreibst oder gestaltest, solltest du die Rechte an Form, Farbe und Aufmachung immer mitdenken. Und wenn du selbst kreativ bist: Prüfe, ob du deine Gestaltung als Marke eintragen kannst – oder ob sie vielleicht sogar urheberrechtlich schutzfähig ist. Im Zweifel lohnt sich die frühzeitige Beratung.