Sonntag, September 28, 2025

Steuerbescheid zu spät geöffnet? Bundesfinanzhof macht Ernst – auch bei eingeschränkter Postzustellung

Das aktuelle Urteil des Bundesfinanzhofs vom 20. Februar 2025, Az. VI R 18/22, stellt klar, dass die gesetzliche Zugangsvermutung bei Steuerbescheiden auch dann gilt, wenn der zustellende Postdienstleister an bestimmten Werktagen keine Zustellungen vornimmt. Das Urteil hat große Bedeutung für alle Steuerpflichtigen, insbesondere für beruflich stark eingespannte Personen oder bei Urlaubsabwesenheit. Der BFH macht deutlich, dass es auf die tatsächliche Zustellpraxis nicht ankommt, solange die gesetzlich vermutete Drei-Tages-Frist nicht konkret durch Beweise erschüttert wird. Wer seinen Steuerbescheid zu spät zur Kenntnis nimmt, trägt das volle Risiko der Fristversäumnis. Das Urteil stärkt die Position der Finanzämter und zwingt Steuerpflichtige zu erhöhter Aufmerksamkeit beim Posteingang. Im Artikel analysieren wir die rechtliche Ausgangslage nach § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO, erklären die Voraussetzungen für die Erschütterung der Zugangsvermutung und zeigen anhand des entschiedenen Falls, welche Beweise akzeptiert werden und wann die Fristversäumnis endgültig feststeht. Für betroffene Steuerzahler gibt es klare Verhaltenstipps zur Vermeidung formaler Fallstricke. Der Artikel richtet sich an Privatpersonen, Berufstätige, Steuerberater und Unternehmen gleichermaßen und bietet eine fundierte Aufbereitung dieses praxisrelevanten BFH-Urteils. Die Entscheidung stärkt die rechtliche Klarheit und fordert zugleich ein hohes Maß an Eigenorganisation der Empfänger. Alle Hintergründe zum Urteil, zur Verfahrensgeschichte und zu den konkreten Auswirkungen findest du bei LexPilot.

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Wer glaubt, ein ruhiger Montag ohne Briefträger rettet ihn vor Fristversäumnissen, hat die Rechnung ohne den Bundesfinanzhof gemacht. Ein neues Urteil zeigt knallhart, wie gefährlich es sein kann, auf die Post zu hoffen.

Der Bundesfinanzhof hat am 20. Februar 2025 in einem brisanten Urteil (Az. VI R 18/22) entschieden, dass die gesetzliche Zugangsvermutung für Steuerbescheide auch dann gilt, wenn der zustellende Postdienstleister an bestimmten Werktagen gar nicht zustellt. Heißt im Klartext: Wer sich auf verspätete Briefzustellung beruft, steht ohne Beweise schnell im steuerlichen Aus.

Was war passiert?

Eine Steuerpflichtige bekam ihren Einkommensteuerbescheid am Freitag, dem 15. Juni 2018, zur Post geschickt. Da sie an diesem Wochenende beruflich verreist war, übergab sie die Leerung ihres Briefkastens einer dritten Person. Erst am Dienstag, dem 19. Juni, nahm sie das Schreiben selbst zur Kenntnis und legte genau einen Monat später – am 19. Juli – Einspruch ein.

Das Finanzamt akzeptierte das nicht. Nach § 122 Abs. 2 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) gilt ein Verwaltungsakt als am dritten Tag nach Aufgabe zur Post als zugegangen – also hier am 18. Juni. Die Monatsfrist war damit abgelaufen. Die Steuerpflichtige widersprach, mit Verweis darauf, dass an Samstagen bei ihr vor Ort keine Zustellung durch die Post mehr erfolge.

Doch genau dieses Argument ließ der BFH nicht gelten.

Der rechtliche Knackpunkt: Zugangsvermutung nach § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO

Der Streit drehte sich um die gesetzlich geregelte sogenannte „Drei-Tages-Zugangsvermutung“. Diese besagt, dass ein Steuerbescheid spätestens drei Tage nach Abgabe zur Post als zugegangen gilt – egal, ob er tatsächlich vorher oder später eintrifft. Die Vermutung lässt sich zwar erschüttern – aber nur durch stichhaltige Nachweise.

Und hier hakte das höchste deutsche Steuergericht ein.

Klare Worte vom BFH

Der Bundesfinanzhof stellte klar:

„Die Zugangsvermutung greift auch dann, wenn der mit der Zustellung beauftragte Postdienstleister an bestimmten Werktagen – etwa Samstag – keine Zustellungen mehr vornimmt.“

Selbst wenn also objektiv keine Zustellung möglich war, zählt das nicht. Nur wenn konkret bewiesen wird, dass der Bescheid tatsächlich erst später eingetroffen ist, kann die gesetzliche Fiktion durchbrochen werden.

Und genau daran scheiterte die Klägerin. Es lag kein Beleg dafür vor, dass der Brief wirklich erst am Dienstag eingetroffen war. Die Abwesenheit der Empfängerin spielt dabei keine Rolle.

Für Steuerpflichtige wird’s jetzt eng

Dieses Urteil verschärft die Anforderungen an die Organisation des Posteingangs erheblich – gerade für Berufstätige, Pendler oder im Urlaub befindliche Personen. Wer abwesend ist, muss sicherstellen, dass er trotzdem fristwahrend handeln kann.

Die Folge:

  • Wer Einspruch einlegen oder andere Fristen einhalten will, muss konkret darlegen und notfalls beweisen, wann ein Schreiben tatsächlich angekommen ist.
  • Reine Mutmaßungen oder Hinweise auf fehlende Samstagszustellung reichen nicht.

Beweislast liegt beim Empfänger

Der BFH legt hier eine harte Linie an. Entscheidend ist, wann die Sendung „unter gewöhnlichen Umständen“ zugegangen sein könnte – nicht, wann sie tatsächlich gelesen wurde. Nur wenn der tatsächliche Zugang nachweisbar später erfolgt ist, kippt die gesetzliche Vermutung. Sonst läuft die Frist erbarmungslos ab.

Wer sich auf verzögerte Zustellung beruft, muss konkrete Beweise liefern: Zeugen, Postdokumentation, Zustellprotokolle – reine Angaben genügen nicht. Und wer bei beruflicher Abwesenheit Dritte zur Leerung des Briefkastens einsetzt, trägt dennoch das Risiko, dass die Frist zu laufen beginnt, obwohl das Schreiben noch nicht gelesen wurde.

Tipps der Redaktion

  • Briefkasten regelmäßig kontrollieren lassen: Wenn du länger abwesend bist, sorge für verlässliche Postweiterleitung oder Bevollmächtigte – inklusive schriftlicher Vollmacht.
  • Steuerbescheide nicht „liegen lassen“: Selbst wenn man glaubt, die Frist beginne mit dem tatsächlichen Lesen – das ist ein Trugschluss.
  • Einspruch lieber zu früh als zu spät: Wer nur einen Tag zu spät ist, verliert sein Recht.
  • Einspruch per Fax oder elektronisch einreichen: Damit liegt sofort ein Zustellnachweis vor.

Wenn du weitere Fragen zum Thema hast, kannst du gerne unser Kontaktformular nutzen:

Hier geht’s zum Artikel beim Bundesfinanzhof

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