Was war passiert?
Eine Verbraucherin erhält eine SMS: „Ihre Zahlungsfrist läuft ab! Zahlen Sie am besten noch heute.“ Ein Link zur Online-Zahlung ist gleich mit dabei. Was bedrohlich und dringlich klingt, war in Wahrheit: unberechtigt. Die Empfängerin hatte nie etwas bestellt, nie einen Kaufvertrag abgeschlossen – und damit auch keinen Cent Schulden.
Absender der Nachricht: die Riverty Services GmbH, vormals paigo GmbH. Diese hatte bereits zuvor zwei Mahnungen über einen Betrag von 38,13 Euro verschickt – ebenfalls unberechtigt. Die SMS war der dritte Versuch, Geld einzutreiben, das der Verbraucherin schlicht nicht zustand.
Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) klagte – und bekam teilweise Recht. Das Oberlandesgericht Hamm untersagte Riverty, per SMS zur Zahlung unberechtigter Forderungen aufzufordern. Das Urteil (Az. I-4 U 252/22) ist rechtskräftig.
Die rechtliche Einordnung: Wann ist eine Mahn-SMS zulässig?
Das Urteil des OLG Hamm schafft Klarheit: Eine Zahlungsaufforderung per SMS ist grundsätzlich erlaubt – aber nur bei tatsächlich bestehenden Forderungen. Ist die Forderung unberechtigt, ist auch die SMS rechtswidrig.
Die Begründung: Die Nachricht vermittelt durch ihren Wortlaut und den Bezug auf frühere Mahnungen den Eindruck, dass ein wirksamer Vertrag – in diesem Fall mit Amazon – bestehe. Für Laien ist es schwer, solche Nachrichten zu hinterfragen. Gerade bei kleineren Beträgen neigen viele dazu, aus Angst vor Inkassokosten einfach zu zahlen.
Das OLG betont: Der Versand irreführender Zahlungsaufforderungen verletzt das Lauterkeitsrecht. Verbraucherinnen und Verbraucher werden in die Irre geführt – eine klassische unlautere geschäftliche Handlung.
SMS gleich E-Mail? Die Einschätzung des Gerichts zur Zumutbarkeit
Interessant ist die grundsätzliche Haltung des Gerichts zur SMS als Kommunikationsmittel: In einer digitalisierten Welt mit allgegenwärtigen Smartphones sei der Empfang einer SMS kein besonders schwerwiegender Eingriff in die Privatsphäre – anders als etwa nächtliche Anrufe.
Anders könne es allerdings aussehen, wenn Inkassobüros Verbraucher:innen mit einer Vielzahl von SMS konfrontieren oder Nachrichten zu unzumutbaren Uhrzeiten eintreffen. Hier deutete das Gericht an, dass eine andere rechtliche Bewertung denkbar sei – etwa unter dem Gesichtspunkt der Belästigung oder unzulässigen Ausnutzung einer Drucksituation.
Kein Komplettverbot für SMS durch Inkassounternehmen
Der vzbv wollte mit der Klage noch mehr erreichen: Ein generelles Verbot, Forderungen per SMS geltend zu machen. Dies lehnte das OLG Hamm ab – mit nachvollziehbarer Begründung. Die bloße Form der Mahnung (SMS) sei nicht per se unzulässig, solange Inhalt und Kontext der Forderung korrekt und angemessen sind.
Anders gesagt: Inkassodienstleister dürfen auch weiterhin SMS verschicken – aber nur dann, wenn die Forderung rechtlich besteht und der Ton der Nachricht rechtlich zulässig ist.
Was bedeutet das Urteil für Verbraucher:innen?
Das Urteil stärkt die Position von Verbraucher:innen, die sich gegen falsche Inkassoforderungen zur Wehr setzen. Besonders bei digitalen Kommunikationsformen wie SMS, bei denen Schnelligkeit und Druck eine Rolle spielen, ist Vorsicht geboten.
Wer eine Mahn-SMS erhält, sollte:
- Nicht voreilig zahlen.
- Die Forderung genau prüfen – am besten mit fachkundiger Hilfe.
- Unberechtigte Forderungen schriftlich zurückweisen.
- Bei Unsicherheit Kontakt mit einer Verbraucherzentrale oder einem Rechtsanwalt aufnehmen.
Und ganz wichtig: Auch vermeintlich geringe Beträge von 30 oder 40 Euro sind kein Grund zur Nachgiebigkeit. Wer zu Unrecht zahlt, unterstützt ein System, das auf Einschüchterung basiert.
Tipps der Redaktion
- Reagiere ruhig, aber bestimmt: Unberechtigte Forderungen müssen nicht gezahlt werden – auch wenn sie per SMS kommen.
- Fordere Nachweise an: Wer etwas bezahlen soll, hat ein Recht zu erfahren, worauf sich die Forderung stützt.
- Nutze Musterbriefe: Verbraucherzentralen stellen kostenlose Vorlagen zur Verfügung.
- Sichere Beweise: Speichere SMS, Screenshots und Mahnschreiben, um dich später wehren zu können.
- Lass dich beraten: Gerade bei mehrfachen oder besonders aggressiven Inkassomethoden lohnt sich die Konsultation eines Anwalts.