Bewertungsportale für Ärztinnen und Ärzte boomen – doch was passiert, wenn eine Bewertung negativ ausfällt? Wann müssen Ärztinnen und Ärzte es hinnehmen, öffentlich kritisiert zu werden, und wann darf eine solche Kritik gelöscht werden? Das Landgericht Koblenz hat sich am 19. Juni 2024 mit dieser Frage beschäftigt – und ein wegweisendes Urteil gefällt (Az.: 3 O 46/23).
Der Fall: Anonyme Bewertung sorgt für juristisches Nachspiel
Ein Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie aus Rheinland-Pfalz sah sich mit einer verheerenden Bewertung auf einem bekannten Ärztebewertungsportal konfrontiert. Der Verfasser, anonym wie üblich, bewertete ihn mit nur einem Stern und kritisierte unter anderem mangelndes Interesse, fehlende Einfühlsamkeit bei Klaustrophobie und eine vorschnelle Diagnoseentscheidung. Der Arzt reagierte prompt: Weder er noch sein Team konnten den angeblichen Patienten zuordnen – eine Behandlung sei nicht erfolgt, behauptete er. Die Betreiberin des Portals sollte die Bewertung daher löschen.
Die rechtliche Ausgangslage: Portalbetreiber sind keine Zensoren
Das LG Koblenz erinnerte in seiner Urteilsbegründung daran, dass Plattformbetreiber nicht automatisch für alle Inhalte haften, die Dritte auf ihren Seiten veröffentlichen. Vielmehr sind sogenannte Hostprovider – wie in diesem Fall die Betreiberin des Bewertungsportals – nur dann verpflichtet, Inhalte zu entfernen, wenn sie gegen ihre sogenannten Prüfpflichten verstoßen haben.
Diese Prüfpflichten setzen ein, sobald ein Betroffener (hier: der Arzt) sich über eine Bewertung beschwert. Dann muss die Plattform tätig werden – und das ist im vorliegenden Fall auch geschehen: Die Beklagte leitete ein Prüfverfahren ein, holte eine Stellungnahme des anonymen Bewerters ein und leitete diese wiederum an den Arzt weiter.
Beweis: Urteil des LG Koblenz vom 19.06.2024, Az. 3 O 46/23
Keine Pflicht zur Identitätsprüfung – Anonymität bleibt geschützt
Ein entscheidender Punkt: Die Plattform konnte nach den abgegebenen Stellungnahmen weder einen offensichtlichen Fake noch eine offensichtliche Rechtsverletzung erkennen. Der Bewerter schilderte Details, die auf einen tatsächlichen Praxisbesuch schließen lassen. Für das Gericht war es daher nicht ersichtlich, welche weitergehenden Nachforschungen dem Portalbetreiber zumutbar gewesen wären – zumal die Anonymität des Patienten nach ständiger Rechtsprechung schützenswert ist.
Beweis: Urteil des LG Koblenz vom 19.06.2024, Az. 3 O 46/23
Die Folge: Kein Anspruch auf Löschung – trotz schwerer Vorwürfe
Das Ergebnis: Der klagende Arzt ging leer aus. Ein Unterlassungsanspruch gegen die Betreiberin des Bewertungsportals besteht nach Auffassung des LG Koblenz nicht. Ohne konkrete Anhaltspunkte für eine Pflichtverletzung auf Seiten des Portalbetreibers bleibt eine negative Bewertung zunächst online – auch dann, wenn sie rufschädigend oder unangemessen erscheint.
Beweis: Urteil des LG Koblenz vom 19.06.2024, Az. 3 O 46/23
Redaktions-Tipps: So gehen Sie mit negativen Bewertungen richtig um
- Nicht impulsiv reagieren: Wer sich unfair bewertet fühlt, sollte nicht sofort juristische Schritte einleiten, sondern prüfen lassen, ob eine Prüfpflichtverletzung des Portals vorliegt.
- Beweise sichern: Screenshots, Datumsvermerke und interne Aufzeichnungen helfen, bei berechtigten Beschwerden stichhaltig zu argumentieren.
- Anwaltlich vorgehen: Nur wer seine Rechte gezielt und professionell durchsetzt, erhöht die Chancen auf Löschung oder Gegendarstellung.
- Recht auf Gegendarstellung nutzen: Viele Plattformen bieten die Möglichkeit, öffentlich zu einer Bewertung Stellung zu nehmen.