Online-Glücksspiel boomt – doch viele Anbieter agieren ohne gültige deutsche Lizenz und damit illegal. Für Verbraucherinnen und Verbraucher kann das bares Geld bedeuten. Denn wer in einem solchen System Verluste gemacht hat, kann unter bestimmten Voraussetzungen die Rückzahlung verlangen. Das jüngste Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart (Az. 5 U 89/24) setzt ein deutliches Zeichen: Auch Vermittler haften – und nicht nur der eigentliche Veranstalter. Was das bedeutet und wie Betroffene vorgehen sollten, erklären wir in diesem Beitrag.
Das Geschäft mit dem Risiko – und der Rechtsbruch
Online-Automatenspiele, Poker oder Sportwetten – all das ist in Deutschland nur unter strengen Auflagen zulässig. Seit dem neuen Glücksspielstaatsvertrag 2021 sind Anbieter verpflichtet, eine deutsche Lizenz zu führen. Viele Unternehmen mit Sitz in Malta oder Gibraltar umgehen diese Pflicht – oft in der Hoffnung, von deutschen Behörden unbehelligt zu bleiben. Doch dieses Geschäftsmodell bröckelt gewaltig.
Im zugrunde liegenden Fall nutzte eine Verbraucherin von 2015 bis 2021 eine deutschsprachige Glücksspielplattform mit Sitz in Malta. Über die Jahre verlor sie über 7.700 Euro. Die Betreiberin der Seite behauptete, nur als „technische Vermittlerin“ aufzutreten, da die Spiele selbst von einer anderen maltesischen Firma durchgeführt worden seien. Doch das Gericht ließ diese Argumentation nicht gelten.
Der Durchbruch vor Gericht: Wer mitverdient, haftet auch
Das OLG Stuttgart entschied klar zugunsten der Verbraucherin. Maßgeblich war dabei Folgendes: Die Beklagte habe ihre Plattform eindeutig auf den deutschen Markt ausgerichtet. Auch wenn sie nicht selbst das Glücksspiel durchführte, förderte sie es durch ihr Auftreten aktiv mit. Damit sei sie für die Verluste der Klägerin mitverantwortlich – und muss zahlen.
Besonders relevant: Die Einwendungen der Beklagten, dass deutsche Gerichte nicht zuständig seien und die Klägerin gar nicht klagebefugt sei, wurden vollständig verworfen. Die internationale Zuständigkeit sei klar gegeben, da sich das Angebot gezielt an deutsche Verbraucherinnen richte. Und selbst wenn ein Prozessfinanzierer eingebunden sei, bleibe die Klägerin prozessführungsbefugt.
Rückforderung möglich – aber nicht automatisch!
Wer Verluste aus Online-Glücksspielen erlitten hat, sollte keinesfalls vorschnell aufgeben. Viele Verbraucher wissen gar nicht, dass sie unter Umständen Geld zurückfordern können – selbst Jahre später. Voraussetzung ist in der Regel, dass das Glücksspielangebot in Deutschland illegal war, also keine deutsche Lizenz vorlag. Wichtig: Es kommt dabei nicht nur auf die Lizenz an, sondern auch auf die aktive Förderung des Glücksspiels durch den Anbieter oder Mittler.
Auch müssen Klagegegner richtig identifiziert werden. Doch wie das Urteil zeigt: Selbst „Vermittler“, die das Spielangebot ermöglichen und daran verdienen, können haftbar sein.
Und was ist mit der Verjährung?
Ein häufiger Irrtum: Viele denken, dass eine Rückforderung nach drei Jahren verjährt sei. Das ist nicht grundsätzlich falsch, aber pauschal auch nicht richtig. Die Verjährung beginnt häufig erst, wenn Betroffene von der Illegalität des Angebots wissen oder wissen mussten. In vielen Fällen ist also selbst ein Rückgriff auf Einsätze aus dem Jahr 2019 noch möglich – sofern zügig gehandelt wird.
Prozessfinanzierer als Hebel für Gerechtigkeit
Ein weiterer Lichtblick: Wer sich rechtlich nicht selbst durchsetzen kann oder das Kostenrisiko scheut, kann auf spezialisierte Prozessfinanzierer zurückgreifen. Diese übernehmen in der Regel die vollständigen Kosten des Verfahrens – im Gegenzug für eine Erfolgsbeteiligung. Der Rückgriff auf solche Anbieter ist rechtlich zulässig und beeinträchtigt die Prozessführungsbefugnis der Betroffenen nicht, wie das OLG Stuttgart noch einmal betonte.
Tipps der Redaktion:
- Online-Glücksspielanbieter genau prüfen: Nur Anbieter mit deutscher Lizenz sind legal. Eine Liste führt die Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder.
- Dokumentation sichern: Zahlungsverläufe, Screenshots und E-Mail-Korrespondenzen sind wichtige Beweise.
- Verjährungsfristen im Blick behalten: Rechtzeitig anwaltlichen Rat einholen!
- Prozessfinanzierer prüfen: Besonders bei hohen Verlusten kann das eine sinnvolle Option sein.
- Nicht einschüchtern lassen: Selbst große Plattformen mussten bereits auszahlen – aktuelle Urteile stärken deine Rechte!