Gericht kippt Standardklausel zu verschuldensunabhängigem Selbstbehalt – was Mieter jetzt wissen müssen
Autovermietungen greifen regelmäßig auf Standardklauseln zurück, die einen Selbstbehalt auch dann vorsehen, wenn der Kunde für den Schaden gar nichts kann. Was bislang viele als gegeben hinnahmen, wurde nun vom Amtsgericht München in einem bemerkenswert klaren Urteil untersagt: Die pauschale Belastung eines Mieters mit 500 Euro Selbstbeteiligung bei einem unvermeidbaren Steinschlag ist unwirksam. Die Entscheidung betrifft nicht nur den konkreten Fall – sie dürfte bundesweit Signalwirkung entfalten.
Der Fall: Autovermietung zieht 500 Euro ein – Mieter wehrt sich erfolgreich
Ein Verbraucher hatte bei der Autovermietung Finn GmbH ein Fahrzeug der Marke Tesla gemietet. Die allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) enthielten eine Standardregelung: Bei Teil- oder Vollkaskoschäden sei pro Schadensfall ein Selbstbehalt von 500 Euro fällig. Während der Mietzeit kam es zu einem Steinschlag, der eine Reparatur notwendig machte. Die Autovermietung zog daraufhin den Betrag von der Kreditkarte des Mieters ein – ungefragt und ohne vorherige Prüfung des Verschuldens.
Der Mieter ließ sich das nicht gefallen und klagte auf Rückzahlung. Und bekam Recht.
Klare Worte vom Gericht: Kein Schadenersatz ohne Verschulden
Das Amtsgericht München stellte unmissverständlich klar: Ein Anspruch auf Schadenersatz gegen den Mieter besteht nicht. Der Schaden – ein Steinschlag in der Windschutzscheibe – sei ein typisches Ereignis im Straßenverkehr, insbesondere auf Autobahnen. Der Fahrer habe das Geschehen weder erkennen noch vermeiden können. Es handele sich also um ein sogenanntes unabwendbares Ereignis.
Der Knackpunkt liegt in der verschuldensunabhängigen Verlagerung des Risikos: Die Autovermietung versuchte, dieses Risiko einseitig auf den Kunden abzuwälzen – ohne Rücksicht auf eine mögliche Unschuld. Genau das aber ist nach Auffassung des Gerichts unzulässig.
Unwirksame AGB: Kein Selbstbehalt ohne rechtliche Grundlage
Die verwendete AGB-Klausel sei unangemessen und verstoße gegen § 307 BGB. Eine solche Regelung weiche zum Nachteil des Mieters vom gesetzlichen Leitbild des Mietrechts ab. Denn im Mietrecht gilt: Nur wer einen Schaden verursacht oder zumindest dafür verantwortlich ist, muss auch haften. Die Klausel aber lässt die Verantwortlichkeit völlig außen vor – und ist damit rechtswidrig.
Das Urteil hat Signalwirkung: Wer bislang stillschweigend den Selbstbehalt akzeptierte, sollte seine Verträge kritisch prüfen (lassen). Die pauschale Abwälzung auf den Mieter ist in dieser Form nicht haltbar.
Relevanz für Verbraucher: Rückforderungen und Vertragskontrolle
Mietwagenkunden können sich auf das Urteil berufen – insbesondere wenn sie selbst betroffen sind. Wurde bereits ein Selbstbehalt gezahlt, obwohl der Schaden nicht verschuldet wurde, kann eine Rückforderung in Betracht kommen. Auch zukünftige Vertragsabschlüsse sollten kritisch geprüft werden: Enthalten die AGB ähnliche Klauseln, können diese als unwirksam behandelt werden.
Zudem bietet das Urteil ein nützliches Argumentationsinstrument, um bei der Autovermietung selbstbewusst aufzutreten. Die pauschale Einziehung von Geldbeträgen ohne Verschuldensnachweis ist nicht nur rechtlich zweifelhaft – sie ist schlicht unzulässig.
Auswirkungen auf die Mietwagenbranche: Jetzt sind die Anbieter gefragt
Autovermieter sollten ihre Geschäftsbedingungen dringend überarbeiten. Klauseln, die eine verschuldensunabhängige Selbstbeteiligung vorsehen, sind nach diesem Urteil nicht mehr haltbar. Wer sie weiterhin nutzt, riskiert nicht nur Rückforderungen, sondern auch Unterlassungsklagen durch Verbraucherverbände. Für die Branche bedeutet das Urteil einen klaren Hinweis, rechtskonforme und differenzierte Regelungen zu schaffen.
Tipps der Redaktion
- Prüfe deine Mietverträge: Achte auf AGB-Klauseln, die pauschale Selbstbehalte regeln – insbesondere ohne Prüfung des Verschuldens.
- Fordere zu Unrecht gezahlte Beträge zurück: Wurde dir bei einem nicht selbst verschuldeten Schaden der Selbstbehalt abgezogen, solltest du Rückzahlung verlangen.
- Lass dich nicht einschüchtern: Auch große Autovermieter sind an geltendes Recht gebunden. Das Urteil des AG München stärkt deine Position.
- Beruf dich auf das Urteil: Verweise bei Diskussionen mit dem Vermieter ausdrücklich auf das Urteil des AG München (Az. 231 C 10607/24).