Wenn fremde Inhalte dein Problem werden
Du klickst auf „Teilen“, weil du eine Aussage zustimmst. Du retweetest eine wütende Kritik oder repostest einen viralen Clip mit einem provokanten Statement. Und plötzlich bekommst du eine Strafanzeige. Wie kann das sein – du hast doch gar nichts Eigenes geschrieben?
Was viele unterschätzen: Auch das bloße Verbreiten fremder Inhalte kann strafrechtlich relevant sein.
Denn wer eine strafbare Aussage bewusst weiterverbreitet oder sich zu eigen macht, haftet unter Umständen wie der ursprüngliche Urheber – und zwar nicht nur moralisch, sondern auch strafrechtlich.
Was sagt das Strafrecht zur Weiterverbreitung?
Die §§ 185 bis 187 StGB (Beleidigung, üble Nachrede, Verleumdung) stellen nicht nur das Erstverfassen, sondern auch das Verbreiten ehrverletzender Aussagen unter Strafe.
Dabei ist entscheidend, ob du:
- den fremden Inhalt sichtbar unterstützt,
- ihn aktiv weiterverbreitest,
- oder dich durch Kommentar, Emoji, Einordnung oder Kontext zu eigen machst.
Ein einfaches „Like“ ist nicht automatisch strafbar – kann aber in Verbindung mit anderen Elementen eine rechtliche Bewertung beeinflussen.
Wann wird Teilen zur Straftat?
Die Gerichte prüfen, ob das Weiterverbreiten einer fremden Aussage als Zustimmung oder Verbreitung im strafrechtlichen Sinn zu werten ist. Dabei kommt es nicht allein auf die technische Handlung an (Retweet, Teilen, Verlinkung), sondern auf den inhaltlichen Gesamtkontext.
Beispiele:
- Du teilst einen diffamierenden Post ohne Kommentar – strafbar, wenn du damit die Aussage unterstützt.
- Du repostest ein Hassvideo mit zustimmender Caption – strafbar als Beleidigung oder Volksverhetzung.
- Du kommentierst eine beleidigende Aussage mit „Genau so!“ oder einem Applaus-Emoji – strafrechtlich relevant.
Was sagt die Rechtsprechung?
In mehreren Entscheidungen haben Gerichte klargestellt: Auch geteilte Aussagen können als eigene gewertet werden.
OLG Dresden, Beschluss vom 05.04.2018 – 4 W 81/18
Das bloße Teilen eines rechtswidrigen Posts auf Facebook kann als eigene Verbreitung gewertet werden, wenn sich der Nutzer nicht ausdrücklich distanziert oder die Aussage durch Kommentar unterstützt.
BGH, Urteil vom 30.01.2020 – I ZR 193/18
Auch bei der Weiterverbreitung von Äußerungen in Gruppen oder durch automatische Reposts kommt es auf die Einordnung im Einzelfall an – Distanzierung kann strafbefreiend wirken, ist aber aktiv zu erklären.
Was ist mit Memes, Videos, Satire?
Auch satirisch gemeinte Beiträge oder Bildmontagen können strafbar sein – vor allem, wenn sie Personen erkennbar herabwürdigen.
Die Kombination aus Text, Bild, Sound oder Caption kann zu einer rechtlichen Gesamtaussage führen, die eine Beleidigung, Schmähkritik oder Verleumdung darstellt.
Wer einen diffamierenden Clip kommentarlos teilt, trägt ein hohes Risiko, als Verbreiter eingestuft zu werden – insbesondere, wenn er über eine relevante Reichweite verfügt.
Wie kannst du dich schützen?
- Überlege genau, was du teilst – auch wenn du die Aussage nicht selbst geschrieben hast.
- Kommentiere kritisch oder distanziert, wenn du Inhalte nur zur Diskussion posten willst.
- Lösche Inhalte, wenn du nachträglich erkennst, dass sie rechtswidrig sein könnten.
- Dokumentiere, was du selbst beigetragen hast – zur späteren Abgrenzung.
Tipps der Redaktion
Nur weil etwas im Netz kursiert, darfst du es nicht ungefragt weiterverbreiten. Die strafrechtliche Verantwortung endet nicht beim Originalautor. Wer sich fremde Aussagen zu eigen macht, steht rechtlich in der ersten Reihe. Deshalb: Lieber einmal zu wenig teilen als einmal zu viel. Und: Wenn du betroffen bist – ob als Beschuldigter oder als Opfer –, sichere Beweise und lass dich juristisch beraten.