Zwischen Meinung, Kritik und strafbarer Herabwürdigung
„Du bist das Letzte.“ – „Abschaum.“ – „So ein erbärmlicher Mensch sollte lieber schweigen.“
Solche Sätze liest man im Netz täglich. Ob unter Instagram-Posts, als Kommentar bei Facebook oder im Repost auf X: Der Ton ist rau geworden. Und immer wieder stellt sich die Frage: Ist das noch Meinung – oder schon strafbare Schmähkritik?
Die Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG schützt auch überspitzte, polemische oder emotionale Aussagen. Doch sie hat Grenzen – insbesondere dann, wenn es nicht mehr um die Auseinandersetzung in der Sache, sondern ausschließlich um die Diffamierung der Person geht.
Was ist Schmähkritik?
Der Begriff der Schmähkritik stammt aus der Rechtsprechung und bezeichnet eine Äußerung, bei der nicht die Auseinandersetzung mit einer Meinung, Handlung oder Aussage im Mittelpunkt steht, sondern allein die Herabwürdigung einer Person. Es handelt sich um eine formlose, oft aggressive Attacke auf die Menschenwürde, die keinerlei sachliche Grundlage mehr erkennen lässt.
Anders als eine strafbare Beleidigung (§ 185 StGB), bei der eine einzelne ehrverletzende Aussage genügt, ist bei der Schmähkritik der Kernpunkt: Die gesamte Äußerung zielt auf die Diffamierung ab.
Wann liegt keine Meinung mehr vor?
Die Meinungsfreiheit schützt grundsätzlich auch harte, scharfe oder provokante Kritik. Selbst Begriffe wie „verlogen“, „lächerlich“ oder „skandalös“ können zulässig sein – wenn ein sachlicher Bezug erkennbar ist.
Entscheidend ist der Kontext:
- Bezieht sich die Aussage auf ein konkretes Verhalten oder eine öffentliche Handlung?
- Ist eine inhaltliche Auseinandersetzung erkennbar?
- Oder wird die Person lediglich beleidigt, erniedrigt oder verächtlich gemacht?
Je persönlicher, emotionaler und abwertender die Aussage – je weniger sachlicher Bezug –, desto eher liegt Schmähkritik vor.
Beispiel:
„Diese Politikerin ist ein Sicherheitsrisiko für unser Land“ kann politische Kritik sein.
„Dieses fette Stück Dreck sollte sich vergraben“ ist Schmähkritik.
Was sagt die Rechtsprechung?
Die Abgrenzung zwischen Meinung und Schmähkritik ist seit Jahrzehnten Bestandteil der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat wiederholt betont, dass Schmähkritik keinen verfassungsrechtlichen Schutz genießt.
BVerfG, Beschluss vom 10.10.1995 – 1 BvR 1476/91
In diesem grundlegenden Beschluss heißt es: Eine Äußerung, die die Diffamierung einer Person in den Vordergrund rückt, ohne dass eine Auseinandersetzung mit der Sache erkennbar ist, überschreitet die Grenze der Meinungsfreiheit.
Auch neuere Urteile bestätigen diese Linie. So wurde in mehreren Instanzentscheidungen festgestellt, dass Bezeichnungen wie „Stück Scheiße“, „Arschloch“, „Untermensch“ oder „Pack“ regelmäßig keine durch Art. 5 GG geschützten Meinungsäußerungen mehr darstellen, sondern als reine Schmähung und damit strafbar gelten.
Gilt das auch im Internet?
Ja – und hier sogar mit verschärfter Wirkung. Denn die Reichweite und Dauerhaftigkeit von Schmähungen in sozialen Netzwerken verstärken den Eingriff in das Persönlichkeitsrecht erheblich. Die Gerichte berücksichtigen dabei besonders:
- Die öffentliche Sichtbarkeit der Äußerung
- Die Anzahl der Reaktionen (Likes, Retweets, Kommentare)
- Die Reaktion des Betroffenen (z. B. Rückzug aus der Öffentlichkeit)
- Den möglichen Reputationsschaden
Selbst Emojis oder begleitende Bilder können aus einer provokanten Aussage eine Schmähung machen – wenn sie den beleidigenden Charakter verstärken.
Welche Konsequenzen drohen?
Schmähkritik ist keine eigenständige Straftat, sondern führt in der Regel zu einer Strafbarkeit nach:
- § 185 StGB (Beleidigung)
- § 186 StGB (Üble Nachrede)
- § 187 StGB (Verleumdung)
Hinzu kommen zivilrechtliche Ansprüche auf:
- Unterlassung
- Löschung
- Gegendarstellung
- Schadensersatz bzw. Schmerzensgeld
Besonders schwer wiegt die Verbreitung gegenüber einem breiten Publikum – etwa auf öffentlichen Profilen oder durch virale Verbreitung.
Tipps der Redaktion
Kritisiere, aber greife nicht an – das ist die goldene Regel. Achte auf deinen Ton, auch wenn du emotional reagierst. Wenn du Zweifel hast, ob eine Aussage noch von der Meinungsfreiheit gedeckt ist, überlege dir, wie sie auf Außenstehende wirkt. Bist du betroffen von Schmähkritik, sichere Beweise und ziehe rechtliche Schritte in Betracht – am besten mit juristischer Unterstützung.