Wenn eine „Behauptung“ zum Risiko wird
„Der nimmt Geld aus der Kasse.“ – „Die hat ihr Kind geschlagen.“ – „Die Firma betrügt systematisch ihre Kunden.“
Wer solche Sätze auf Plattformen wie X (früher Twitter), Instagram, Facebook oder in Gruppen verbreitet, bewegt sich schnell im strafbaren Bereich. Denn: Nicht alles, was du für wahr hältst, darfst du auch behaupten.
Gerade in sozialen Netzwerken vermischen sich persönliche Meinungen, Halbwahrheiten und erfundene Tatsachen oft unbemerkt. Doch strafrechtlich macht es einen gewaltigen Unterschied, ob du deine Meinung äußerst oder eine falsche Tatsachenbehauptung aufstellst.
Was ist der Unterschied zwischen Meinung und Tatsachenbehauptung?
- Meinungen sind durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützt. Sie sind subjektive Werturteile („Ich finde sie unmöglich“, „Das ist verantwortungslos“), unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt.
- Tatsachenbehauptungen hingegen sind Aussagen, die wahr oder falsch sein können – und daher überprüfbar sind („Er war gar nicht krank“, „Sie war betrunken beim Dienstantritt“).
Sobald du behauptest, etwas sei tatsächlich geschehen, wirst du rechtlich haftbar gemacht – insbesondere, wenn die Aussage nicht nachweislich wahr ist und geeignet ist, den Ruf einer anderen Person zu schädigen.
Strafbare Varianten: Üble Nachrede und Verleumdung
§ 186 StGB – Üble Nachrede
Wer in Beziehung auf einen anderen eine nicht erweislich wahre Tatsache behauptet oder verbreitet, die geeignet ist, diesen verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen, macht sich strafbar.
Es reicht also schon, dass du nicht beweisen kannst, dass die Behauptung stimmt.
§ 187 StGB – Verleumdung
Wer wider besseres Wissen eine unwahre Tatsache behauptet oder verbreitet, macht sich strafbar, wenn dadurch eine Person verächtlich gemacht oder in der öffentlichen Meinung herabgewürdigt wird.
Hier ist zusätzlich Voraussetzung, dass du wusstest, dass es nicht stimmt. Das Strafmaß ist deutlich höher – bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe.
Was ist besonders riskant im Internet?
- Verbreitung durch Retweet, Repost oder Teilen: Auch wer fremde Aussagen weiterverbreitet, macht sich strafbar – denn dadurch wird die Aussage „zu eigen gemacht“.
- Kommentare in Gruppen oder Threads: Auch in scheinbar privaten oder halböffentlichen Gruppen (z. B. WhatsApp, Telegram, Facebook-Gruppen) gelten die Strafvorschriften.
- „Framing“ durch rhetorische Fragen: Sätze wie „Hat er wirklich fremdgegangen?“ können je nach Kontext als Behauptung gewertet werden.
- Bildunterschriften, Emojis, Verlinkungen: Auch wenn keine explizite Aussage erfolgt, kann ein Kommentar durch Kombination mit anderen Elementen als Tatsachenbehauptung gelten.
Was sagt die Rechtsprechung?
Gerichte werten Aussagen im Kontext. Entscheidend ist der objektive Eindruck eines durchschnittlichen Lesers – nicht, was du subjektiv gemeint hast.
Ein Beispiel aus der aktuellen Rechtsprechung:
- LG Frankfurt a. M., Urteil vom 20.07.2022 – 2-03 O 188/21: Die pauschale Behauptung in einer Facebook-Gruppe, ein Lehrer sei ein „Perverser“, ohne dass dies auf überprüfbaren Tatsachen beruhte, wurde als strafbare üble Nachrede eingeordnet – auch wenn die Äußerung als Meinungsbeitrag dargestellt wurde.
Die Grenze zur Verleumdung ist fließend – insbesondere dann, wenn der Urheber klar erkennen konnte, dass seine Aussage falsch ist.
Welche Strafen drohen?
- Bei übler Nachrede (§ 186 StGB): Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr (mit Veröffentlichung: bis zu zwei Jahre)
- Bei Verleumdung (§ 187 StGB): Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahre
- Zusätzlich: Zivilrechtliche Unterlassungsansprüche, Gegendarstellungspflichten und ggf. Schmerzensgeld
Tipps der Redaktion
- Behaupte online keine Tatsachen über andere, die du nicht eindeutig belegen kannst.
- Teile keine Posts, die andere Personen rufschädigend darstellen, wenn du den Wahrheitsgehalt nicht selbst geprüft hast.
- Im Zweifel lieber Meinung formulieren als „Fakt“ behaupten.
- Wenn du betroffen bist: Sichere Screenshots, poste eine Gegendarstellung und ziehe rechtliche Schritte in Betracht.