Zwischen scharfer Kritik und strafbarer Beleidigung
„Volksverräterin!“ – „Absolut inkompetent, die Frau muss weg!“ – „Dem sollte man mal zeigen, wo der Hammer hängt!“
Solche Aussagen über Politikerinnen und Politiker finden sich täglich auf Plattformen wie X (ehemals Twitter), Facebook, Instagram und TikTok. Viele Nutzer glauben, dass man über „die da oben“ alles sagen darf. Doch die Meinungsfreiheit schützt nicht jede Form der Kritik – und auch Menschen des öffentlichen Lebens haben Rechte.
In einer aufgeheizten Debattenkultur 2025 ist es wichtiger denn je: Wo endet legitime politische Kritik – und wo beginnt strafbare Schmähung?
Was schützt die Meinungsfreiheit – und was nicht?
Die Meinungsfreiheit nach Art. 5 GG erlaubt ausdrücklich auch scharfe, überspitzte und provozierende Kritik. Sie ist ein zentrales Element der Demokratie. Doch sie hat Grenzen: Sie endet dort, wo die Menschenwürde verletzt oder Persönlichkeitsrechte unzumutbar beeinträchtigt werden.
Entscheidend ist, ob die Äußerung
- einen Sachbezug zur Funktion oder dem Verhalten der Person hat,
- Teil einer politischen Debatte ist,
- oder lediglich der Diffamierung, Entmenschlichung oder Entwürdigung dient.
Haben Politiker mehr auszuhalten?
Ja – aber nicht alles. Personen des öffentlichen Lebens, insbesondere Mandatsträger, Regierungsmitglieder und exponierte Vertreter der Öffentlichkeit, müssen sich eine intensivere, auch scharfe und verletzende Kritik gefallen lassen – insbesondere in ihrer Funktion.
Das heißt konkret:
Ein harter Kommentar zu einer politischen Entscheidung ist zulässig.
Eine gezielte persönliche Herabwürdigung, die keinerlei Sachbezug mehr aufweist, ist strafbar.
Beispiele:
„Diese Ministerin zerstört das Bildungssystem“ – zulässig.
„Diese Drecksfotze gehört in die Klapse“ – strafbar.
Was sagt die Rechtsprechung?
Das Bundesverfassungsgericht hat die Meinungsfreiheit wiederholt als besonders hohes Gut betont – zugleich aber auch klargestellt, dass bei Persönlichkeitsverletzungen, insbesondere durch Schmähkritik, die Grenze überschritten ist.
BVerfG, Beschluss vom 19.05.2020 – 1 BvR 1246/20
Die Bezeichnung eines Politikers als „Volksverräter“ wurde in diesem Zusammenhang als zulässig gewertet, weil sie im Kontext einer politischen Diskussion gefallen war.
Anders sah es das Gericht im Fall massiver persönlicher Herabsetzungen ohne Sachbezug.
Auch Instanzgerichte urteilen streng bei diffamierenden Äußerungen in sozialen Netzwerken, etwa bei rassistischen oder sexistischen Angriffen auf Amtsträger.
Was ist mit Satire, Ironie oder Kunst?
Satire genießt einen weiten Schutzbereich – solange sie als solche erkennbar ist und eine Auseinandersetzung in der Sache darstellt. Wird eine Karikatur oder ironische Formulierung jedoch zur bloßen Herabwürdigung, kann auch hier der Schutz der Meinungsfreiheit entfallen.
Entscheidend ist, wie ein verständiger Durchschnittsleser die Äußerung versteht – nicht, wie sie gemeint war.
Welche Konsequenzen drohen?
Wer Politiker beleidigt, verleumdet oder diffamiert, riskiert:
- Strafanzeigen wegen Beleidigung (§ 185 StGB), übler Nachrede (§ 186 StGB) oder Verleumdung (§ 187 StGB)
- Hausdurchsuchung und Beschlagnahmung bei Anfangsverdacht
- Geldstrafen oder Freiheitsstrafen bei Wiederholung oder hoher Reichweite
- Zivilrechtliche Klagen auf Unterlassung und Schadensersatz
Die Hemmschwelle der Ermittlungsbehörden ist in den letzten Jahren deutlich gesunken – gerade bei organisierten Kampagnen, Hate Speech oder personalisierten Angriffen.
Tipps der Redaktion
Kritik an politischen Entscheidungen ist erlaubt – solange sie sachlich bleibt. Auch Emotionen und pointierte Sprache gehören dazu. Aber persönliche Herabwürdigungen, entmenschlichende Aussagen und Beleidigungen sind keine Meinung, sondern Angriffe auf die Menschenwürde. Wer sich öffentlich äußert, sollte Sprache bewusst einsetzen. Und wer betroffen ist, sollte nicht zögern, rechtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen – zum Schutz der Debatte und der eigenen Integrität.