Wenn ein Post mehr als nur provoziert
Du kommentierst auf X (früher Twitter), ärgerst dich über eine politische Entscheidung oder reagierst emotional auf einen Artikel. Es bleibt nicht bei sachlicher Kritik – du schreibst: „Ihr seid doch alle unfähig!“ oder schlimmer: „Du armselige Witzfigur, verpiss dich!“ Tage später flattert ein Brief von der Polizei ins Haus: Strafanzeige wegen Beleidigung.
Was viele unterschätzen: Was als Meinungsäußerung gemeint ist, kann strafrechtlich relevant sein. Und die Grenzen verlaufen nicht dort, wo du sie vermutest.
Gerade 2025 geraten Plattformen wie X, Instagram, Facebook und TikTok zunehmend in den Fokus der Staatsanwaltschaften. Denn Beleidigungen, Herabwürdigungen und persönliche Angriffe im Netz nehmen zu – und das Strafrecht zieht klare Linien.
Meinungsfreiheit vs. Beleidigung – wo verläuft die Grenze?
Art. 5 Abs. 1 GG schützt die Meinungsfreiheit. Jeder darf grundsätzlich sagen, was er denkt – auch provokant, überzogen oder emotional. Aber: Diese Freiheit endet dort, wo die Menschenwürde oder das Persönlichkeitsrecht anderer verletzt wird. Und das ist schnell der Fall.
Das Strafgesetzbuch (StGB) kennt mehrere einschlägige Vorschriften:
- § 185 StGB – Beleidigung
- § 186 StGB – Üble Nachrede
- § 187 StGB – Verleumdung
Die Beleidigung ist dabei der häufigste Fall: Sie erfasst jede Kundgabe der Missachtung oder Nichtachtung einer anderen Person, sofern sie nicht sachlich oder wertneutral ist.
Was gilt im Netz – sind Social-Media-Posts anders zu bewerten?
Nein – sie sind sogar besonders sensibel. Denn durch die digitale Verbreitung erreichen Beleidigungen oft ein breites Publikum, was sie besonders rufschädigend macht. Das wird bei der Strafzumessung regelmäßig berücksichtigt.
Außerdem gilt:
Auch Emojis, Bildunterschriften, geteilte Memes oder Reels mit beleidigendem Subtext können eine strafbare Beleidigung darstellen. Entscheidend ist der objektive Eindruck beim Empfänger – nicht, wie du es gemeint hast.
Schmähkritik oder Meinung – wie unterscheiden Gerichte?
Die Meinungsfreiheit schützt auch überspitzte, polemische oder unsachliche Aussagen – solange es noch um die Sache geht.
Sobald eine Äußerung aber nur noch darauf abzielt, die betroffene Person herabzuwürdigen, spricht man von Schmähkritik – und die ist nicht mehr vom Grundgesetz gedeckt.
Die Gerichte achten auf folgende Faktoren:
- Inhalt und Wortwahl der Äußerung
- Kontext (z. B. Reaktion auf einen Beitrag oder absichtsvolle Provokation)
- Soziale Stellung des Betroffenen (z. B. öffentliche Person vs. Privatperson)
- Erkennbare sachliche Auseinandersetzung oder bloße Verunglimpfung
Beispiel: „Deine Politik ist gefährlich und undemokratisch“ ist zulässige Meinung.
„Du bist der letzte Dreck – schäm dich, dass du lebst“ ist strafbare Beleidigung.
Was sagt die aktuelle Rechtsprechung?
Die Gerichte haben in den letzten Jahren zahlreiche Entscheidungen zur Online-Beleidigung getroffen – mit klarer Tendenz: Der Ton im Netz darf rau sein – aber nicht entwürdigend.
Aktuelle Leitlinien:
- BGH, Urteil vom 29.7.2021 – 3 StR 179/21: Auch satirische Verfremdung kann beleidigend sein, wenn sie entwürdigend wirkt.
- LG Berlin, Urteil vom 6.10.2023: Bezeichnung eines Politikers als „Verräter und krimineller Drecksack“ stellt keine geschützte Meinungsäußerung mehr dar.
- AG Dortmund, Urteil vom 14.12.2024: Verwendung eines beleidigenden Emojis (z. B. Kotz-Smiley in Verbindung mit Klarnamen) erfüllt den Tatbestand des § 185 StGB.
Und was ist mit Humor, Ironie, Sarkasmus?
Auch Ironie oder Satire schützt nicht vor Strafbarkeit. Entscheidend ist, ob ein durchschnittlicher Leser die Äußerung als Herabwürdigung verstehen kann. Besonders bei sarkastischen Kommentaren im Internet ist die Gefahr groß, dass Gerichte eine Beleidigung bejahen – weil Tonfall, Mimik oder Kontext im Netz fehlen.
Tipp: Wer sich auf Satire beruft, sollte eine erkennbar satirische Form wählen – etwa in Form, Format oder Zielrichtung. Sonst droht die Einstufung als bloße Schmähung.
Welche Strafen drohen bei Online-Beleidigung?
Die Beleidigung ist ein Antragsdelikt – das heißt: Sie wird nur verfolgt, wenn der Betroffene Anzeige erstattet.
Dennoch: In der Praxis kommt es oft zu Ermittlungsverfahren und Urteilen.
Mögliche Rechtsfolgen:
- Geldstrafe (oft mehrere Tagessätze, abhängig vom Einkommen)
- Eintrag ins Führungszeugnis bei Verurteilung ab 90 Tagessätzen
- Bewährungsstrafen in Wiederholungsfällen oder bei massiver Beleidigung
- Zivilrechtliche Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche
Tipps der Redaktion
- Überlege dir genau, wie dein Beitrag wirkt – nicht nur, wie du ihn meinst.
- Verwende in der Öffentlichkeit nie beleidigende oder entmenschlichende Begriffe – selbst bei starker Kritik.
- Wenn du angegriffen wirst: Sichere Beweise sofort (Screenshots, Links, Uhrzeit) und stelle Anzeige wegen Beleidigung.
- Als Beschuldigter: Schweige zunächst – und lass deinen Anwalt sprechen.