Sonntag, September 28, 2025

Justiz am Limit – Warum in Deutschlands Gerichtssälen die Richter fehlen

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Die deutsche Justiz steht 2025 vor einem strukturellen Engpass

Wer in Deutschland einen Rechtsstreit führen will, braucht Geduld. Gerichtstermine verzögern sich, Beschlüsse brauchen Wochen, nicht selten Monate. Bürger warten auf Entscheidungen, Unternehmen auf Vollstreckungen, Familien auf Unterhaltstitel. Der Grund dafür ist keine Ausnahme, sondern der neue Alltag deutscher Gerichte: Personalmangel.

Seit Jahren kritisieren Verbände wie der Deutsche Richterbund, die Bundesrechtsanwaltskammer oder Landesjustizverwaltungen den immer größer werdenden Personalkollaps in der Justiz. Tausende Stellen sind unbesetzt, die Zahl der Pensionierungen steigt und junge Juristen wählen immer seltener den Weg in den Staatsdienst. Das Ergebnis: Verfahren stauen sich – und mit ihnen der Unmut der Bevölkerung.

Über 1.000 unbesetzte Stellen: Die Zahlen sind alarmierend

Laut Deutschem Richterbund fehlen derzeit bundesweit über 1.000 Richterinnen und Richter sowie rund 1.500 Staatsanwältinnen und Staatsanwälte. Besonders betroffen sind Großstädte wie Berlin, Köln oder Frankfurt, aber auch ländliche Regionen mit strukturellen Nachwuchsproblemen. Und das ist nur die Spitze des Eisbergs: Bis 2030 gehen rund 40 % der aktuell tätigen Richter in Pension.

Hinzu kommt, dass sich die Arbeitsbelastung in vielen Bereichen verschärft hat: Umweltrecht, Mietrecht, Verbraucherrecht und Strafverfahren rund um Cyberkriminalität haben stark zugenommen. Während die Anforderungen steigen, sinken zugleich die personellen Ressourcen.

Länder kämpfen mit unterschiedlichen Mitteln – aber oft zu spät

Die Justiz ist Ländersache. Das bedeutet: Einstellungspolitik, Besoldung und Arbeitsbedingungen unterscheiden sich massiv. In Bayern und Hamburg wurden zuletzt gezielt Nachwuchskräfte rekrutiert – mit Erfolg. In Brandenburg, Bremen oder Mecklenburg-Vorpommern hingegen bleibt der Nachwuchs aus. Viele junge Juristen gehen lieber in Kanzleien oder zu Unternehmen.

Ein Grund: die Besoldung. Während ein Berufsanfänger in Bayern mit rund 4.500 € brutto monatlich startet, liegt das Anfangsgehalt in strukturschwachen Ländern deutlich darunter. Zudem fehlen dort oft Karriereoptionen, Spezialisierungswege oder flexible Arbeitszeitmodelle.

Warum junge Juristen den Staatsdienst meiden

Der Staatsdienst galt lange als sicher, angesehen und geordnet. Doch das Bild hat sich gewandelt. Viele junge Juristinnen und Juristen schrecken vor der Arbeitsbelastung, den geringen Aufstiegschancen und dem hohen bürokratischen Aufwand zurück. Zudem konkurriert der Staat mit wirtschaftlich starken Kanzleien, Banken oder Legal-Techs, die mit flexibler Arbeitszeit, Homeoffice, Boni und Fachkarrieren locken.

Ein weiterer Faktor: Das Bewerbungsverfahren ist vielerorts altmodisch, langsam und wenig transparent. Wer als Richterin oder Staatsanwalt arbeiten will, durchläuft oft langwierige Assessment-Prozesse mit unklarer Erfolgsprognose.

Welche Reformen jetzt nötig wären

Verbände wie der Deutsche Richterbund fordern:

  • die Einführung eines bundesweiten Personalbedarfsplans,
  • eine Anpassung der Besoldung an moderne Lebensrealitäten,
  • mehr Flexibilität im Arbeitsalltag (Teilzeit, Remote, Sabbaticals),
  • gezielte Nachwuchsgewinnung bereits im Jurastudium,
  • Quereinsteigerprogramme für erfahrene Juristen aus der Praxis.

Erste Länder erproben neue Wege – etwa durch Einstiegsstipendien mit Rückbindung an den Justizdienst. Andere setzen auf aktive Imagekampagnen und Arbeitgebermarketing. Doch der Erfolg ist bislang punktuell.

Redaktionstipps für Verbraucher

Auch wenn sich Verfahren verzögern: Ihre Rechte bestehen fort. Wichtig ist, das eigene Verfahren aktiv zu begleiten:

  • Bewahren Sie Fristen und Zustellungen sorgfältig auf.
  • Fragen Sie regelmäßig bei Gericht oder Anwalt nach dem Stand der Dinge.
  • Nutzen Sie anwaltliche Unterstützung, um Verjährung und Fristversäumnisse zu vermeiden.
  • Bitten Sie um schriftliche Zwischenmitteilungen, wenn es über Monate keine Bewegung gibt.

Wenn du weitere Fragen zum Thema hast, kannst du gerne unser Kontaktformular nutzen:

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„Die Justiz ist das Rückgrat des Rechtsstaats – und sie ist nicht unsterblich. Wenn wir es nicht schaffen, junge Menschen für diese Aufgabe zu gewinnen und ihnen moderne Arbeitsbedingungen zu bieten, wird das Vertrauen in das System leiden. Die Verfahren werden länger, die Frustration wächst – und das hat Konsequenzen für uns alle.“


RA Björn Wilhelm Kasper

FAQ-Bereich

Was bedeutet der aktuelle Personalmangel in der Justiz für Verbraucher konkret?
Längere Verfahrensdauern, verspätete Entscheidungen und eine wachsende Belastung für alle Verfahrensbeteiligten.

Wie kann ich mich schützen, wenn mein Verfahren sich verzögert?
Dokumentieren Sie den Verlauf, setzen Sie Fristen und bleiben Sie über Ihren Anwalt im ständigen Austausch mit dem Gericht.

Warum fehlen so viele Richter und Staatsanwälte?
Weil viele in Pension gehen und der Nachwuchs wegen besserer Alternativen in der freien Wirtschaft ausbleibt.

Was tun die Bundesländer gegen das Problem?
Einige Länder haben Programme zur Nachwuchsgewinnung und bessere Besoldung gestartet, jedoch ist das bislang nicht flächendeckend.

Wird das Problem kurzfristig gelöst werden können?
Eher nicht. Selbst bei Sofortmaßnahmen wird es Jahre dauern, bis alle Lücken geschlossen sind.

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