Sonntag, September 28, 2025

Kolumne von Rechtsanwalt Björn Kasper„10.000 € zum Amtsgericht – Zeit für Vertrauen in die Selbstbestimmten“

Die Zuständigkeitsgrenze der Amtsgerichte soll laut Referentenentwurf auf 10.000 € steigen. Damit könnten Verbraucher in Zivilsachen künftig häufiger selbst klagen – ohne Anwalt, ohne Landgericht. Wir erklären, was das konkret bedeutet, welche Streitigkeiten betroffen sind, wie viel Geld gespart werden kann und welche Chancen und Risiken sich daraus ergeben. Jetzt alles zur Reform der Amtsgerichtszuständigkeit im Überblick – klar, verständlich und rechtssicher.

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In meinem Kanzleialltag spüre ich es seit Jahren: Die Mandantschaft verändert sich. Viele Menschen kommen nicht mehr zu mir, weil sie es müssen – sondern weil sie es wollen. Wer sich heute rechtlich wehren will, googelt, vergleicht, generiert mit KI ein erstes Musterschreiben oder lässt sich von einem Online-Tool durch das Mahnverfahren lotsen. Der Zugang zum Recht wird digitaler, dezentraler – und zunehmend selbstbestimmt.

Die geplante Anhebung der Streitwertgrenze beim Amtsgericht auf 10.000 € ist deshalb kein Angriff auf die Anwaltschaft, sondern die konsequente Reaktion auf eine gesellschaftliche Entwicklung, die längst begonnen hat.

Zugang zur Justiz ist kein Exklusivrecht

Wir dürfen nicht vergessen: Die Zivilgerichtsbarkeit gehört allen – nicht nur uns Juristen. Wenn Verbraucher künftig bis 10.000 € selbst klagen dürfen, wird das vielen den Weg ins Rechtssystem erleichtern. Kein Anwaltszwang, kein unnötiger Gang zum fernen Landgericht, keine Einschüchterung durch formale Hürden. Wer ein Recht hat, soll es auch durchsetzen können – notfalls allein. Und zwar ohne dabei in einer Kostenfalle zu landen.

Natürlich wird das Mandate kosten. Aber ehrlich: Der Rückgang in der unteren Streitwertzone ist längst da. Kein Verbraucher engagiert heute noch für eine Handwerkerrechnung über 6.300 € automatisch einen Anwalt. Die Digitalisierung hat das Spielfeld verändert – die neue Streitwertgrenze zieht nur die Linie nach, die das Verhalten unserer Mandanten längst vorgibt.

Auch das einfache Verfahren braucht Struktur

Trotzdem: Die Reform darf nicht naiv umgesetzt werden. Denn je mehr Selbstvertretung erlaubt wird, desto klarer muss der Rechtsrahmen sein. Amtsgerichte brauchen Entlastung, nicht nur neue Aufgaben. Auch richterliche Geduld ist keine unendliche Ressource.

Wenn künftig tausende unjuristisch formulierte Klagen die Geschäftsstellen fluten, muss klar sein: Wir brauchen digitale Tools, klarere Formulare, bessere Informationen – und notfalls gerichtliche Hinweise, die nicht herablassend wirken, sondern erklären. Nur dann wird das Versprechen „mehr Zugang“ nicht zur Farce.

Die Rolle des Anwalts wird sich wandeln – nicht verschwinden

Ich sehe in der Reform vor allem eine Chance: Wenn der Anwaltszwang fällt, wird Beratung zur bewussten Entscheidung – nicht zur Pflicht. Und das verändert die Qualität der Mandatsbeziehung. Wer zu mir kommt, will mehr als nur Schriftsatz und Frist – er will Strategie, Kontext, Taktik.

Wenn wir es schaffen, diesen Wandel anzunehmen, dann ist der Wegfall der Zwangsvertretung keine Niederlage. Sondern die Rückkehr zu echter Beratung – auf Augenhöhe, freiwillig, wertschätzend.

Meine Meinung zum Thema:

Ich unterstütze die Anhebung der Streitwertgrenze ausdrücklich. Nicht, weil ich mir davon mehr Mandate verspreche – sondern weil ich glaube, dass der Rechtsstaat keine Furcht vor Mündigkeit haben darf. Wer heute autonom handelt, wird auch morgen rechtliche Hilfe suchen – dort, wo sie einen echten Mehrwert bietet.

Wir Anwälte sollten aufhören, um unsere Monopolbereiche zu kämpfen. Und anfangen, unsere Rolle neu zu definieren: als strategische Partner in einer Rechtskultur, die wieder näher bei den Menschen ankommt. Die Reform zeigt uns, dass Vertrauen in die Bürger kein Risiko ist – sondern der einzige Weg nach vorn.

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