Privatinsolvenz ist kein Stigma, sondern der gesetzlich vorgesehene Weg in einen finanziellen Neustart. Ziel ist die Restschuldbefreiung – in der Regel nach drei Jahren –, wenn du mitwirkst, ehrlich bleibst und den pfändbaren Teil deines Einkommens abführst.
Viele scheitern nicht an Regeln, sondern an Unsicherheit: Was darf ich verdienen? Wie viel wird tatsächlich gepfändet? Darf ich ein Auto behalten – und wenn ja, wie „teuer“ darf es sein?
Was macht der Treuhänder genau, wie oft muss ich mich melden und welche Unterlagen will er sehen?
Bleibt mein Pfändungsschutzkonto bestehen? Was passiert mit Erbschaften oder einem überraschenden Gewinn? Und was bedeutet das alles für die Schufa – bekomme ich wieder Verträge oder Kredite?
Dieser Leitfaden nimmt dich Schritt für Schritt mit – ohne Juristenlatein. Du erfährst, wie du dein Einkommen richtig einordnest, deinen Kontoschutz sicherstellst, dein Auto sinnvoll begründest, welche Mitwirkungspflichten wirklich zählen und wie du typische Fallen (verschleppte Mitteilungen, falsche Kontoführung, Neuverschuldung) elegant vermeidest.
Wenn du sofort Vorlagen, Checklisten und Musterformulierungen brauchst, findest du in der Praxisbox Unterstützung – hier wird dir direkt geholfen:
Und wenn während des Verfahrens unerwartete Zuflüsse (Nachzahlungen, Boni, Erbe) kommen, erklärt dir unser Schnell-Guide, wie du sie korrekt meldest und was davon wirklich abzuführen ist – https://www.lexpilot.onepage.me
Was die Privatinsolvenz wirklich regelt – und was nicht
Die Verbraucherinsolvenz unterscheidet grob drei Phasen: Eröffnung (Vermögen wird gesichert), Abtretungs-/Wohlverhaltensphase (du führst den pfändbaren Teil deines laufenden Einkommens ab) und Restschuldbefreiung. Es gibt keine Obergrenze, wie viel du „dürfen“ verdienst – je höher dein Netto, desto größer nur der pfändbare Anteil nach Pfändungstabelle. Unpfändbare Beträge und besondere Lebenslagen (Unterhaltspflichten, bestimmte Zuschläge) bleiben geschützt. Entscheidend ist Transparenz: Wer Einkommen, Wohnort, Arbeitgeberwechsel oder Familienstand nicht zeitnah meldet, riskiert Ärger bis hin zur Versagung der Restschuldbefreiung.
Einkommen & Pfändung: Was bleibt dir wirklich?
Die Pfändung richtet sich nach der gesetzlichen Pfändungstabelle (§ 850c ZPO). Maßgeblich ist dein monatliches Nettoeinkommen und wie viele Personen du tatsächlich unterhältst. Der Arbeitgeber führt den pfändbaren Anteil ab; Sonderzahlungen (Bonus, Urlaub/Weihnachten) werden je nach Art ganz, teilweise oder gar nicht gepfändet. Nebenjobs, Zuschläge und Einmalzahlungen musst du angeben – ebenso Änderungen bei Unterhalt. Praktisch heißt das: Du planst mit deinem „Netto nach Tabelle“ und vermeidest Dispo-Fallen, indem du feste Abbuchungstermine auf die Zahlungseingänge abstimmst.
P-Konto & Kontosicherheit: Warum du es behalten solltest
Ein Pfändungsschutzkonto (P-Konto) schützt deinen monatlichen Grundfreibetrag auf dem Girokonto. Auch wenn das Verfahren Vollstreckungen grundsätzlich stoppt, sorgt das P-Konto dafür, dass alte Pfändungsakte nicht „hängen bleiben“ und dein Geld blockieren. Ändern sich deine Verhältnisse (neues Kind, mehr Unterhaltspflichten, Kindergeld/Kinderzuschlag), erhöhst du den Freibetrag mit einer aktuellen Bescheinigung (z. B. Familienkasse, Jobcenter, anerkannte Schuldnerberatung oder Anwalt) – das muss aktiv bei der Bank hinterlegt werden. So vermeidest du, dass zweckgebundene Beträge in die Pfändung rutschen.
Auto behalten: Angemessenheit statt Luxus
Ein Auto darfst du behalten, wenn es angemessen und für Arbeit, Ausbildung, Betreuung oder Gesundheit plausibel notwendig ist (lange Arbeitswege, Schichtbetrieb, ländliche Lage, Mobilitätseinschränkung). Es gibt keine starre Euro-Grenze – entscheidend ist der Gesamteindruck: Gebraucht, funktional, nicht luxuriös. Bei hochpreisigen Fahrzeugen kann der Verwalter einen Tausch verlangen (Verkauf, Ersatz durch günstigeres Auto; Mehrerlös geht in die Masse). Bei Finanzierung/Leasing entscheidet die Bank/Leasinggesellschaft über Fortführung; sprich das frühzeitig mit Verwalter und Gläubiger ab.
Treuhänder/Verwalter: Mitwirkung statt Misstrauen
Der Treuhänder ist kein Gegner, sondern setzt das Gesetz um. Er benötigt saubere Unterlagen: aktuelle Lohnabrechnungen, Steuerbescheide, Arbeitsvertrag/Arbeitswechsel, Nachweise zu Unterhalt und Familienstand, Mitteilungen über Nebenjobs, Boni oder sonstige Zuflüsse. Eine „Meldepflicht im Monatsrhythmus“ gibt es nicht; wichtig ist, zeitnah auf Anfragen zu reagieren und unaufgefordert relevante Änderungen mitzuteilen. Bist du ohne Job, musst du dich aktiv bewerben und Nachweise sammeln.
Vermögen, Erbschaften, Gewinne: Was wirklich abgeführt wird
In der Eröffnungsphase fällt vorhandenes pfändbares Vermögen in die Insolvenzmasse. Während der Wohlverhaltensphase gilt: laufendes Arbeitseinkommen wird nach Tabelle gepfändet; Erbschaften sind zur Hälfte herauszugeben. Andere überraschende Zuflüsse (z. B. Schenkungen, Gewinne) sind nicht automatisch abzuführen, können aber je nach Einordnung pfändbar sein oder Fragen auslösen – melde sie deshalb sofort und kläre die Behandlung mit dem Treuhänder. Transparenz schützt dich; Verschweigen gefährdet die Restschuldbefreiung.
Schufa, Verträge & Kredite: Wie lange „wirkt“ das Verfahren?
Während des Verfahrens ist der Score merklich belastet. Nach Erteilung der Restschuldbefreiung bleibt ein Eintrag für eine verkürzte Speicherdauer bestehen und wird danach gelöscht; dein Score erholt sich schrittweise. Neue Kredite sind rechtlich nicht verboten, praktisch aber schwierig und oft unklug. Sinnvoll sind Basiskonto, Prepaid- oder Debit-Karten und langfristig ein kleines, transparent geführtes Haushaltsbudget. Verträge (Handy/Versicherung) gelingen mit Nachweisen stabiler Zahlungsführung häufig wieder – Schritt für Schritt.
Der Ablauf in sieben klaren Etappen – praxisnah erklärt
Vorbereitung: Übersicht aller Gläubiger, Forderungen, laufenden Verträge, Einkünfte und Unterhaltspflichten erstellen; Budgetplan aufsetzen.
Antrag & Eröffnung: Formular sauber ausfüllen, eidesstattlich richtige Angaben machen; ab Eröffnung verwaltet der Verwalter Vermögen, der Pfändungsmechanismus startet.
Abtretung & Arbeit: Arbeitgeber erfährt von der Abtretung, führt pfändbare Teile ab. Du meldest Änderungen sofort.
Kontoschutz & Alltag: P-Konto aktiv halten, Freibeträge aktualisieren, zweckgebundene Zahlungen (Kindergeld etc.) dokumentieren.
Sonderfälle: Erbe, Boni, Nachzahlungen unverzüglich melden, Behandlung abstimmen.
Wohlverhaltensphase: Pflichten einhalten, keine neuen Schulden leichtfertig, Bewerbungsbemühungen dokumentieren (falls arbeitslos).
Restschuldbefreiung: Nach Frist werden die Altschulden erlassen – du baust geordnet und transparent wieder auf.
Wenn du zu einzelnen Schritten sofort Textbausteine brauchst (z. B. Meldung neuer Arbeitsstelle, Anzeige eines Erbes, Bitte um Angemessenheitsprüfung fürs Auto), nutze unsere Muster – Unterstützung erhältst du auf lexpilot.onepage.me.
Tipps der Redaktion
Konsequenz schlägt Perfektion. Halte deine Unterlagen laufend aktuell, melde jede Änderung sofort und plane mit dem „Netto nach Pfändung“.
✅ P-Konto behalten und Freibeträge regelmäßig anpassen
✅ Änderungen (Job, Einkommen, Familie) unaufgefordert melden
✅ Auto-Nutzung sachlich begründen, Luxus vermeiden
✅ Unerwartete Zuflüsse sofort anzeigen und klären
✅ Haushaltsplan führen, Dispo vermeiden, Verträge nach und nach stabilisieren
Experteneinschätzung
„Wer die Insolvenz als Projekt managt, kommt zuverlässig zur Restschuldbefreiung: saubere Kommunikation, ehrliche Meldungen, realistische Budgets. Streit entsteht fast immer dort, wo Informationen fehlen. Transparenz gegenüber Treuhänder und Bank ist kein Risiko – sie ist dein Schutzschild.“ — Rechtsanwalt Björn Kasper
FAQ – Die 7 wichtigsten Fragen zum Thema
Wie viel darf ich verdienen – gibt es eine Obergrenze?
Es gibt keine Einkommensobergrenze. Du darfst so viel verdienen, wie du kannst. Der pfändbare Teil wird nach der Pfändungstabelle berechnet und richtet sich nach deinem monatlichen Netto sowie der Zahl deiner Unterhaltspflichten. Verdient zu haben ist positiv, weil es die Erfüllung deiner Pflichten sichert und die Restschuldbefreiung nicht gefährdet. Achte aber darauf, variable Komponenten (Bonus, Schichtzulagen, Nebenjob) transparent zu melden, damit es nicht zu Nachforderungen kommt. Plane dein Budget stets mit dem „Netto nach Tabelle“.
Darf ich ein Auto behalten – und wie „teuer“ darf es sein?
Ja, wenn es angemessen und für Job, Ausbildung, Betreuung oder Gesundheit erforderlich ist. Eine rechtliche Preisgrenze gibt es nicht. In der Praxis werden funktionale, gebrauchttaugliche Fahrzeuge akzeptiert; Luxusmodelle sind problematisch. Ist der Wagen finanziert oder geleast, entscheidet der Kreditgeber über Fortführung oder Kündigung; stimme das früh mit Verwalter und Bank ab. Lege zur Begründung Pendelstrecke, Schichtzeiten oder medizinische Gründe nachvollziehbar dar. So sicherst du deinen Mobilitätsbedarf ohne Diskussionen.
Brauche ich ein P-Konto – obwohl das Verfahren läuft?
Unbedingt. Das P-Konto verhindert, dass alte Pfändungen dein Konto blockieren, und stellt sicher, dass Grundfreibetrag und Zusatzfreibeträge (z. B. Kindergeld) verfügbar bleiben. Änderst du familiäre Verhältnisse oder Leistungen, musst du den Freibetrag aktiv anpassen lassen – per Bescheinigung geeigneter Stellen (Familienkasse, Jobcenter, anerkannte Schuldnerberatung, Anwalt). Ohne Aktualisierung bleibt bares Geld hängen, das dir zusteht. Bewahre Ein- und Ausgangsbelege geordnet auf, um Rückfragen der Bank zügig zu beantworten.
Welche Unterlagen will der Treuhänder – und wie oft muss ich mich melden?
Der Treuhänder braucht Lohnabrechnungen, Steuerbescheide, Arbeitsverträge, Nachweise über Unterhaltspflichten, Informationen zu Arbeitgeberwechseln und Nebenverdiensten. Es gibt keinen starren Melderhythmus: Du meldest zeitnah jede relevante Veränderung und beantwortest Anfragen fristgerecht. Wer proaktiv kommuniziert, vermeidet Rückfragen und Konflikte. Führe eine einfache Dokumentenmappe (Einkommen, Familie, Konto, Sonderzuflüsse) und notiere Datum, Inhalt und Empfänger jeder Mitteilung. Dieses „Logbuch“ wirkt im Zweifel vertrauensbildend.
Was passiert mit Erbschaften, Schenkungen oder Gewinnen während der Insolvenz?
In der Eröffnungsphase fällt pfändbares Vermögen in die Masse. In der Wohlverhaltensphase musst du die Hälfte eines Erbes herausgeben; die andere Hälfte darfst du behalten. Andere Zuflüsse (z. B. Schenkungen, Gewinne) sind nicht automatisch abzuführen, können aber je nach Art pfändbar sein oder Fragen auslösen. Entscheidend ist: Sofort melden, gemeinsam klären und nichts verschweigen. So vermeidest du spätere Konflikte und den Vorwurf unredlichen Verhaltens, der die Restschuldbefreiung gefährden kann.
Ist meine Schufa „kaputt“ – und wann verbessert sich der Score?
Während des Verfahrens ist der Score stark belastet. Nach der Restschuldbefreiung wird der Eintrag noch für eine verkürzte Zeit gespeichert und anschließend gelöscht. Dein Score erholt sich nicht über Nacht, aber kontinuierlich, wenn du Konten sauber führst, keine neuen Rückstände produzierst und mit kleinen, bezahlbaren Verträgen Zahlungszuverlässigkeit belegst. Ein Basiskonto und Debitkarten sind praktische Brückenlösungen. Wichtig ist Geduld und die konsequente Pflege deiner Zahlungsbiografie.
Darf ich neue Kredite aufnehmen – und ist das klug?
Rechtlich ist das nicht verboten. Praktisch ist es oft schwer, teuer und während der Wohlverhaltensphase riskant. Neue Schulden können als unangemessen gelten und spätere Zahlungsprobleme sind Gift für deinen Neustart. Wenn es unbedingt sein muss (z. B. für zwingende Anschaffungen), wähle kleine, abgesicherte Lösungen und vermeide Ballung von Verpflichtungen. Meist ist es klüger, zu sparen, Verträge zu stabilisieren und deinen Score langsam aufzubauen.




