Mittwoch, November 19, 2025

Aufenthaltsbestimmungsrecht – Wer entscheidet, wo das Kind lebt?

Das Aufenthaltsbestimmungsrecht regelt, wo ein Kind lebt – ein zentrales Thema bei Trennung und Scheidung. Hier erfährst du, wer entscheidet, was bei Streit passiert und wie das Familiengericht über Anträge entscheidet – immer mit Blick auf das Kindeswohl.

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Darum geht’s in diesem Artikel – Was erwartet dich?

Nach einer Trennung ist oft nichts mehr wie vorher – besonders wenn gemeinsame Kinder betroffen sind. Neben Unterhalt, Umgang und elterlicher Sorge stellt sich eine der sensibelsten Fragen: Wo soll das Kind wohnen? Wer bestimmt den Wohnort, die Schule, das Umfeld? Und was passiert, wenn sich Mutter und Vater darüber nicht einig sind?

All diese Fragen drehen sich um das sogenannte Aufenthaltsbestimmungsrecht. Es gehört zur elterlichen Sorge und entscheidet darüber, wo das Kind seinen Lebensmittelpunkt hat. In vielen Fällen regeln die Eltern das einvernehmlich. Doch wenn es zum Streit kommt, kann das Familiengericht entscheiden – bis hin zur Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf nur einen Elternteil.

In diesem Artikel erfährst du, was genau das Aufenthaltsbestimmungsrecht bedeutet, wie es sich von der allgemeinen elterlichen Sorge unterscheidet und warum es in Trennungssituationen so oft zum Zankapfel wird. Wir zeigen dir, welche Rechte du hast, wie das Gericht über strittige Fälle entscheidet und wann eine Abänderung möglich ist. Außerdem erfährst du, worauf es bei gemeinsamen Sorgerechten, Umzügen und Kindeswohlprüfungen ankommt.

Was ist das Aufenthaltsbestimmungsrecht?

Das Aufenthaltsbestimmungsrecht ist ein Teilbereich der elterlichen Sorge nach § 1626 BGB. Es betrifft die Entscheidung darüber, wo sich das minderjährige Kind gewöhnlich aufhält – also zum Beispiel, in welcher Wohnung es lebt, welche Schule es besucht oder ob ein Umzug in eine andere Stadt stattfindet.

Solange beide Eltern das gemeinsame Sorgerecht haben, können sie nur gemeinsam über den Aufenthalt des Kindes entscheiden. Einseitige Entscheidungen – etwa ein Umzug ohne Zustimmung – sind rechtlich unzulässig und können weitreichende Konsequenzen haben. Bei getrennter elterlicher Sorge liegt das Aufenthaltsbestimmungsrecht automatisch beim Sorgeberechtigten.

Warum kommt es zu Streitigkeiten?

Trennung und Umzug

Einer der häufigsten Konfliktfälle ist der geplante Umzug eines Elternteils mit dem Kind – sei es aus privaten Gründen, wegen eines neuen Partners oder wegen des Arbeitsplatzes. Der andere Elternteil befürchtet dann, den Kontakt zum Kind zu verlieren, und stimmt dem Umzug nicht zu. Ohne Zustimmung kann der Umzug aber nicht einfach durchgezogen werden – das Familiengericht muss entscheiden.

Uneinigkeit über den Lebensmittelpunkt

Gerade bei einem Wechselmodell oder bei fast gleichmäßiger Betreuung streiten Eltern oft darüber, wo das Kind dauerhaft wohnen soll – etwa wenn ein Schulwechsel ansteht oder sich neue Lebensumstände ergeben. Das Aufenthaltsbestimmungsrecht bestimmt in solchen Fällen den „stabilen Lebensmittelpunkt“ – und ist daher oft entscheidend für andere Regelungen.

Sorge um Kindeswohl

In manchen Fällen wird das Aufenthaltsbestimmungsrecht auch im Rahmen eines Sorgerechtsstreits beantragt, wenn einer der Elternteile das Kindeswohl gefährdet sieht. Dann geht es nicht nur um den Ort, sondern auch um die Sicherheit und Stabilität des Kindes – etwa bei Alkoholmissbrauch, instabilen Wohnverhältnissen oder psychischer Belastung.

Wie entscheidet das Familiengericht?

Antrag auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts

Wenn sich Eltern mit gemeinsamem Sorgerecht nicht über den Aufenthalt des Kindes einigen können, kann einer von beiden beim Familiengericht die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts nach § 1671 BGB beantragen. Das Gericht prüft dann, ob die Übertragung dem Kindeswohl am besten entspricht.

Maßstab: Kindeswohl

Im Zentrum jeder Entscheidung steht das Kindeswohl (§ 1697a BGB). Das Gericht prüft, bei welchem Elternteil das Kind die stabilere Umgebung, die bessere Förderung und den zuverlässigeren Alltag erwarten kann. Es werden keine Schuldfragen geklärt – entscheidend ist allein, was dem Kind langfristig am meisten nützt.

Dabei spielen folgende Kriterien eine Rolle:

  • Bindung des Kindes zu den Elternteilen
  • Kontinuität der Betreuung
  • Erziehungsfähigkeit
  • Kommunikationsfähigkeit der Eltern
  • Schul- und Wohnumfeld
  • Wille des Kindes (ab ca. 10 Jahren relevant, ab 14 Jahren besonders stark gewichtet)

Beteiligung des Jugendamts

In jedem Verfahren zum Aufenthaltsbestimmungsrecht wird das Jugendamt angehört. Es gibt eine Stellungnahme ab und begleitet das Verfahren. Bei Bedarf kann das Kind einen Verfahrensbeistand („Anwalt des Kindes“) erhalten, der dessen Interessen unabhängig vertritt.

Ein Beispiel aus der Rechtsprechung: Das OLG Frankfurt entschied (Beschluss vom 13.06.2023, Az. 4 UF 74/23), dass ein geplanter Umzug der Mutter mit dem Kind von Hessen nach Bayern untersagt wurde, weil die Bindung zum Vater durch die Entfernung erheblich beeinträchtigt worden wäre – und keine zwingenden Umzugsgründe bestanden.

Was bedeutet das für das gemeinsame Sorgerecht?

Das Aufenthaltsbestimmungsrecht ist nur ein Teilbereich der elterlichen Sorge. Auch wenn es einem Elternteil allein übertragen wird, bleibt das gemeinsame Sorgerecht im Übrigen bestehen. Entscheidungen über Schule, Religion oder medizinische Eingriffe müssen dann weiter gemeinsam getroffen werden – es sei denn, auch diese Bereiche werden gesondert übertragen.

Wenn das Gericht das Aufenthaltsbestimmungsrecht überträgt, bedeutet das:

  • Der andere Elternteil hat kein Mitspracherecht mehr beim Wohnort
  • Umzüge innerhalb Deutschlands sind dann auch ohne Zustimmung möglich
  • Der Umgang mit dem anderen Elternteil bleibt bestehen – wird aber ggf. angepasst

Was passiert bei eigenmächtigen Umzügen?

Zieht ein Elternteil mit dem Kind um, ohne die Zustimmung des anderen und ohne gerichtliche Entscheidung, kann das Familiengericht eine Rückführung anordnen – in schweren Fällen sogar mit Hilfe der Polizei (§ 1666 BGB). Zudem drohen Sanktionen wegen Sorgerechtsmissbrauchs oder sogar Strafanzeigen wegen Kindesentziehung (§ 235 StGB).

Wird ein Kind gegen den Willen des anderen Elternteils ins Ausland verbracht, liegt unter Umständen eine internationale Kindesentführung vor – hier greifen dann das Haager Übereinkommen und spezielle Rückführungsverfahren.

Tipps der Redaktion

Das Aufenthaltsbestimmungsrecht ist kein Machtinstrument – sondern ein Instrument zum Schutz des Kindes. Wer es beantragt, sollte immer das Kindeswohl im Blick haben und seine Beweggründe offen und nachvollziehbar darstellen. Ein Umzug darf nie über den Kopf des Kindes oder des anderen Elternteils hinweg erfolgen.

✅ Kläre Umzugspläne immer frühzeitig – am besten gemeinsam
✅ Bei Streit: Stelle rechtzeitig einen Antrag beim Familiengericht
✅ Bereite dich mit Fakten und Argumenten vor – was dient dem Kind?
✅ Binde Jugendamt und ggf. Mediatoren ein
✅ Lass dich anwaltlich beraten, bevor du voreilige Schritte gehst

Hilfe findest du auch jederzeit auf unserer Hauptseite:
https://lexpilot.onepage.me

Experteneinschätzung

„Das Aufenthaltsbestimmungsrecht entscheidet nicht nur über einen Wohnort – es ist oft der Schlüssel zur gesamten Lebensgestaltung des Kindes. Eltern sollten damit verantwortungsvoll umgehen. Wer es einklagt, muss konkret darlegen, warum es dem Kind bei ihm besser geht – nicht nur, warum der andere ungeeignet ist.“

Björn Kasper, Rechtsanwalt

FAQ – Die 7 wichtigsten Fragen zum Thema

Was genau bedeutet Aufenthaltsbestimmungsrecht?

Es ist das Recht zu entscheiden, wo sich das minderjährige Kind gewöhnlich aufhält – also z. B. in welcher Wohnung oder Stadt es lebt. Es ist ein Teil der elterlichen Sorge.

Haben beide Eltern automatisch das Aufenthaltsbestimmungsrecht?

Ja – wenn sie das gemeinsame Sorgerecht haben. Nur bei alleinigem Sorgerecht hat der betreffende Elternteil allein das Aufenthaltsbestimmungsrecht.

Kann ein Elternteil das Aufenthaltsbestimmungsrecht allein beantragen?

Ja – wenn es zwischen den Eltern Streit gibt, kann das Familiengericht einem Elternteil das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen, wenn dies dem Kindeswohl dient.

Muss das Kind beim Verfahren angehört werden?

Ab einem gewissen Alter ja. Ab etwa 10 Jahren wird die Meinung des Kindes berücksichtigt, ab 14 Jahren hat es ein eigenes Mitspracherecht und kann sogar selbst Anträge stellen.

Was passiert, wenn ein Elternteil ohne Zustimmung umzieht?

Dann kann das Familiengericht eine Rückführung anordnen. Eigenmächtige Umzüge können sogar strafrechtlich verfolgt werden, wenn das Sorgerecht verletzt wird.

Kann das Aufenthaltsbestimmungsrecht auch wieder geändert werden?

Ja – wenn sich die Lebensumstände ändern oder das Kindeswohl es erfordert, kann das Gericht auf Antrag eine neue Entscheidung treffen.

Hat das Aufenthaltsbestimmungsrecht Einfluss auf das Umgangsrecht?

Indirekt ja. Es bestimmt den Wohnort des Kindes – und damit die Rahmenbedingungen für Umgang. Das Umgangsrecht selbst bleibt aber unabhängig bestehen.

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