Darum geht’s in diesem Artikel – Was erwartet dich?
Viele Arbeitnehmer kennen das Problem: Die Überstunden häufen sich – bezahlt wird aber nichts. Mal heißt es, die Überstunden seien freiwillig gewesen, mal, der Chef habe davon gar nichts gewusst. Spätestens, wenn es zu einer Kündigung oder einem Streit über Lohnforderungen kommt, stellt sich die entscheidende Frage: Wer muss die Überstunden nachweisen? Und wie dokumentierst du deine Mehrarbeit so, dass du deine Ansprüche auch durchsetzen kannst?
In diesem Artikel erfährst du, wie du Überstunden rechtssicher dokumentierst, welche Anforderungen die Gerichte an den Nachweis stellen und welche Rechte und Pflichten sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber haben. Wir zeigen dir, welche Unterlagen im Streitfall zählen, wie du deine Aufzeichnungen führen solltest und wie du dich optimal absicherst. Denn: Gute Dokumentation ist der Schlüssel, um am Ende nicht auf deinem Geld sitzenzubleiben.
LexPilot zeigt dir klar, verständlich und praxisnah, wie du deine Überstunden dokumentierst und deine Vergütung erfolgreich durchsetzt.
Was sind Überstunden?
Überstunden sind Arbeitszeiten, die über die vertraglich oder tariflich vereinbarte regelmäßige Arbeitszeit hinausgehen. Sie entstehen, wenn du mehr arbeitest, als du eigentlich müsstest. Ob diese Überstunden bezahlt werden müssen, hängt von verschiedenen Faktoren ab:
- Arbeitsvertragliche Regelungen
- Tarifverträge
- Betriebsvereinbarungen
- Weisungen des Arbeitgebers
- Gesetzliche Vorgaben (§ 612 BGB, § 3 ArbZG)
Wichtig: Überstunden sind nur dann vergütungspflichtig, wenn sie vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt oder geduldet wurden.
Wer muss Überstunden beweisen?
Die Beweislast liegt grundsätzlich beim Arbeitnehmer. Wer Überstundenvergütung verlangt, muss konkret darlegen:
- An welchen Tagen Überstunden geleistet wurden
- In welchem Umfang Mehrarbeit geleistet wurde
- Dass der Arbeitgeber die Überstunden angeordnet, gebilligt oder geduldet hat
Das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urteil vom 21.12.2016 – 5 AZR 362/16) verlangt eine präzise Darstellung: bloße Stundenzettel oder grobe Schätzungen reichen in der Regel nicht.
Warum ist Dokumentation so wichtig?
Ohne saubere Aufzeichnungen wird es fast unmöglich, Überstunden vor Gericht durchzusetzen. Arbeitgeber bestreiten Überstunden regelmäßig mit dem Argument, man habe davon nichts gewusst. Eine gute Dokumentation erhöht die Erfolgschancen erheblich.
Wichtige Elemente der Dokumentation:
- Tägliche Arbeitszeiterfassung mit Beginn, Pausen und Ende
- Notizen zu Weisungen des Arbeitgebers
- E-Mails, Dienstpläne, Kalendernotizen
- Zeugen (z. B. Kollegen, Vorgesetzte)
Je präziser deine Aufzeichnungen sind, desto stärker wird deine Beweislage.
Welche Pflichten hat der Arbeitgeber?
Seit dem Urteil des EuGH (C-55/18) und der nachfolgenden Entscheidung des BAG (Urteil vom 13.09.2022 – 1 ABR 22/21) ist klar: Arbeitgeber müssen die gesamte Arbeitszeit ihrer Beschäftigten systematisch erfassen. Viele Arbeitgeber kommen dieser Pflicht bislang aber nur unzureichend nach. Das bietet Arbeitnehmern Chancen bei der Geltendmachung von Überstunden.
Was gilt bei pauschaler Abgeltung?
Oft enthalten Arbeitsverträge Klauseln wie „mit dem Gehalt sind alle Überstunden abgegolten“. Solche Klauseln sind nur wirksam, wenn sie transparent sind und die Anzahl der abgegoltenen Überstunden klar begrenzen. Unbegrenzte Abgeltungsklauseln sind meist unwirksam (BAG, Urteil vom 01.09.2010 – 5 AZR 517/09).
Wie setzt du Überstundenvergütung durch?
Wenn der Arbeitgeber nicht freiwillig zahlt, kannst du:
- Schriftlich zur Zahlung auffordern
- Unter Fristsetzung mahnen
- Notfalls Klage beim Arbeitsgericht einreichen
Achtung: Arbeitsverträge und Tarifverträge enthalten häufig Ausschlussfristen. Oft verfallen Ansprüche bereits nach drei Monaten.
Tipps der Redaktion
So sicherst du dir dein Geld für Überstunden:
✅ Arbeitszeiten täglich genau dokumentieren
✅ Weisungen des Arbeitgebers schriftlich festhalten
✅ Zeugen und E-Mails sammeln
✅ Ausschlussfristen beachten
✅ Hilfe findest du auch jederzeit auf unserer Hauptseite:
Experteneinschätzung
„Überstundenstreitigkeiten entscheiden sich fast immer an der Beweisfrage. Arbeitnehmer haben eine hohe Darlegungslast – aber wer sauber dokumentiert, hat sehr gute Erfolgschancen. Besonders problematisch sind die oft unklaren Abgeltungsklauseln in Arbeitsverträgen. Viele dieser Klauseln sind unwirksam, weil sie pauschal und intransparent formuliert sind. Die jüngsten Entscheidungen des BAG und des EuGH zur Arbeitszeiterfassung verschieben die Beweislast immer stärker zugunsten der Arbeitnehmer. Dennoch gilt: Wer seine Arbeitszeiten täglich schriftlich festhält, sichert seine Ansprüche am besten. Überstunden müssen kein Geschenk an den Arbeitgeber sein.“
Björn Kasper, Rechtsanwalt
FAQ – Die 7 wichtigsten Fragen zum Thema
Muss ich Überstunden dokumentieren?
Ja, wenn du Überstundenvergütung fordern willst, musst du die Mehrarbeit konkret nachweisen. Ohne präzise Dokumentation wird es schwierig, Ansprüche durchzusetzen.
Reicht eine einfache Stundenliste?
Besser sind detaillierte Aufzeichnungen mit Uhrzeiten, Tätigkeiten und Hinweisen auf Anweisungen oder betriebliche Notwendigkeiten. Ergänzende Beweise wie E-Mails oder Dienstpläne stärken deine Position erheblich.
Muss der Arbeitgeber Überstunden bezahlen?
Ja, wenn die Überstunden angeordnet, gebilligt oder zumindest geduldet wurden. Auch betriebliche Notwendigkeit kann einen Zahlungsanspruch begründen.
Sind Überstunden mit dem Gehalt abgegolten?
Nur wenn die Abgeltung vertraglich klar und transparent geregelt ist. Pauschale Formulierungen ohne Begrenzung sind häufig unwirksam.
Welche Fristen muss ich beachten?
In vielen Arbeits- und Tarifverträgen gelten Ausschlussfristen von nur drei Monaten. Danach verfallen Ansprüche unwiederbringlich. Rechtzeitiges Handeln ist deshalb entscheidend.
Was gilt bei Teilzeitkräften?
Auch Teilzeitkräfte haben Anspruch auf Überstundenvergütung, wenn sie über ihre vereinbarte Stundenzahl hinaus arbeiten. Auch hier ist saubere Dokumentation wichtig.
Muss der Arbeitgeber die Arbeitszeit erfassen?
Ja, nach aktueller BAG- und EuGH-Rechtsprechung ist der Arbeitgeber verpflichtet, die gesamte Arbeitszeit systematisch zu dokumentieren. Diese Pflicht kann auch Arbeitnehmern helfen, Ansprüche leichter nachzuweisen.