Sonntag, September 28, 2025

SCHWANGER UND GEKÜNDIGT – SO WEHRST DU DICH TROTZ VERPASSTER FRIST

Gekündigt während der Schwangerschaft? Das Bundesarbeitsgericht schützt schwangere Arbeitnehmerinnen auch dann, wenn sie erst nach Ablauf der Klagefrist von ihrer Schwangerschaft erfahren. In einem aktuellen Urteil vom 3. April 2025 – 2 AZR 156/24 – erklärt das Gericht, unter welchen Voraussetzungen eine Kündigungsschutzklage nachträglich zugelassen wird. Dabei wird deutlich: Die ärztliche Bestätigung zählt mehr als ein Selbsttest, und auch verspätete Mitteilungen an den Arbeitgeber können ausreichen, um den Sonderkündigungsschutz zu aktivieren. Jetzt alle Details zum Urteil lesen.

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Darum geht’s in diesem Artikel:

Eine Arbeitnehmerin erhält die Kündigung – ohne zu wissen, dass sie schwanger ist. Erst Tage später erfährt sie von der Schwangerschaft. Die Klagefrist ist dann oft schon fast abgelaufen oder überschritten. Bedeutet das das Aus für den Kündigungsschutz? Nein, sagt das Bundesarbeitsgericht. Und erklärt in einem Grundsatzurteil von 2025, wie Betroffene trotzdem wirksam gegen eine Kündigung vorgehen können – und warum Arbeitgeber hier schnell das Nachsehen haben. Wir zeigen dir, was du tun musst, um deinen Arbeitsplatz zu retten.

Sonderkündigungsschutz: Was das Mutterschutzgesetz wirklich regelt

Schwangere Arbeitnehmerinnen genießen in Deutschland einen starken Sonderkündigungsschutz nach § 17 Mutterschutzgesetz (MuSchG). Eine Kündigung ist während der Schwangerschaft grundsätzlich unwirksam – es sei denn, die zuständige Behörde stimmt ausdrücklich zu. Doch damit dieser Schutz greift, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Entscheidend ist:
Die Schwangerschaft muss zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs bereits bestanden haben.

Wenn das der Fall ist, dürfen Arbeitgeber nur mit behördlicher Genehmigung kündigen – ansonsten ist die Kündigung nichtig, also rechtlich wirkungslos.

BAG: Kündigung ist trotz versäumter Klagefrist unwirksam

Im Fall vor dem Bundesarbeitsgericht ging es um genau so eine Situation. Die Klägerin war bei Zugang der Kündigung (14. Mai 2022) bereits schwanger, wusste davon aber noch nichts. Erst am 29. Mai führte sie einen Schwangerschaftstest durch. Ein Arzttermin war erst am 17. Juni möglich – der Mutterpass belegte später den Schwangerschaftsbeginn auf den 28. April.

Die Klägerin reichte am 13. Juni Kündigungsschutzklage nach Ablauf der Dreiwochenfrist des § 4 KSchG ein – verbunden mit einem Antrag auf nachträgliche Zulassung nach § 5 KSchG.

Das BAG stellte klar:

  • Eine nachträgliche Klagezulassung ist möglich, wenn die Arbeitnehmerin erst nach Fristablauf schuldlos von ihrer Schwangerschaft erfährt.
  • Selbst ein positiver Selbsttest reicht nicht aus, um bereits eine gesicherte „Kenntnis“ im rechtlichen Sinne zu begründen.
  • Die ärztliche Bestätigung ist entscheidend – erst mit dieser beginnt die Zweiwochenfrist für den Antrag auf Klagezulassung.

Die Folge: Die Kündigung war unwirksam, obwohl die reguläre Klagefrist verstrichen war.

Arbeitgeberwissen entscheidet – aber nicht immer

Ein zentraler Aspekt: Der Arbeitgeber hatte bei Kündigung keine Kenntnis von der Schwangerschaft. Damit war keine behördliche Zustimmung notwendig – formal. Trotzdem greift der Sonderkündigungsschutz rückwirkend, wenn die Schwangerschaft später nachgewiesen wird und die Mitteilung „unverzüglich“ nachgeholt wird (§ 17 Abs. 1 Satz 2 MuSchG).

Genau das war hier der Fall: Die Klägerin informierte den Arbeitgeber mit Klageschrift und Nachweis am frühestmöglichen Zeitpunkt.

Das BAG betont: Auch wenn die Mitteilung außerhalb der Zweiwochenfrist erfolgt, ist sie wirksam, wenn die Frau das nicht zu vertreten hat – z. B. weil kein früherer Arzttermin möglich war.

Unionsrecht: Effektiver Schutz trotz formeller Hürden

Das Urteil setzt sich intensiv mit dem EU-Recht auseinander. Besonders Art. 10 der Mutterschutzrichtlinie war entscheidend: Kündigungen während der Schwangerschaft müssen effektiv verhindert werden. Nationale Vorschriften, die das zu stark einschränken, sind unzulässig.

Das BAG betont, dass das deutsche System mit § 5 KSchG den EU-Vorgaben genügt, weil:

  • Die Fristen nicht zu kurz bemessen sind.
  • Ein Antrag auf Klagezulassung auch vorzeitig gestellt werden kann.
  • Die Mitteilungspflichten nach § 17 MuSchG auch im Prozess erfüllt werden können.

Tipps der Redaktion

Wenn du von einer Kündigung betroffen bist und erst später von deiner Schwangerschaft erfährst, solltest du Folgendes tun:

  • Arzttermin so früh wie möglich vereinbaren.
  • Sobald ein Nachweis vorliegt, Antrag auf Klagezulassung stellen.
  • Auch wenn die Klagefrist abgelaufen ist – unbedingt Klage einreichen!
  • Informiere deinen Arbeitgeber schriftlich über die Schwangerschaft.
  • Lass dich rechtlich beraten – die Fristen sind knapp, aber nicht unmöglich zu wahren.

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Eine kurze rechtliche Einschätzung durch die Expertenbrille

Das Urteil 2 AZR 156/24 stärkt in bemerkenswerter Weise die Rechte von Schwangeren im Arbeitsverhältnis. Es schafft Rechtssicherheit für die Fälle, in denen die Arbeitnehmerin die Schwangerschaft zunächst nicht erkennt – ein häufiges und sehr reales Problem. Besonders relevant: Die rechtliche „Kenntnis“ beginnt erst mit ärztlicher Bestätigung. Das eröffnet Betroffenen neue Spielräume und bewahrt vor existenzbedrohenden Folgen durch Formfehler. Gleichzeitig zeigt das BAG klare Grenzen für Arbeitgeber auf – wer ohne Wissen kündigt, riskiert dennoch die Unwirksamkeit der Kündigung. Für uns in der Praxis ein starkes Argument, betroffenen Mandantinnen zur Klage zu raten – selbst nach Fristablauf.

Björn Kasper, Rechtsanwalt

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