Darum geht’s in diesem Artikel:
Wer ein Kündigungsschreiben bekommt, denkt oft, das war’s. Doch was, wenn der Brief nie angekommen ist? Das Bundesarbeitsgericht hat im Januar 2025 entschieden: Ein Einwurf-Einschreiben allein reicht nicht aus, um den Zugang einer Kündigung zu beweisen. In der Praxis bedeutet das: Viele Kündigungen könnten unwirksam sein – nur weil der Arbeitgeber den Zugang nicht gerichtsfest belegen kann. Ein Urteil mit Signalwirkung für Millionen Beschäftigte!
In diesem Artikel erklären wir, warum der Zugang so entscheidend ist, welche Beweise Gerichte akzeptieren und was Betroffene tun sollten, wenn sie Zweifel am Zugang einer Kündigung haben. Dabei werfen wir auch einen Blick auf die Strategien der Arbeitgeberseite – und warum Vertrauen allein vor Gericht nicht reicht.
Kündigung ohne Beweis: So scheiterte der Arbeitgeber vor Gericht
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem eine schwangere Arbeitnehmerin die Wirksamkeit einer Kündigung vom 26. Juli 2022 bestritt. Die Arbeitgeberin behauptete, das Kündigungsschreiben sei am selben Tag per Einwurf-Einschreiben verschickt und laut Sendungsstatus am 28. Juli 2022 zugestellt worden.
Der Knackpunkt: Die Klägerin bestritt den Zugang – und der Arbeitgeber konnte den tatsächlichen Einwurf in ihren Briefkasten nicht nachweisen. Das Landesarbeitsgericht hatte bereits entschieden, dass die Kündigung nicht wirksam zugegangen sei. Das BAG bestätigte nun dieses Urteil: Ein Sendungsstatus allein reicht nicht aus.
Warum der Zugang einer Kündigung so entscheidend ist
Nach ständiger Rechtsprechung beginnt die Frist zur Kündigungsschutzklage erst mit dem Zugang der Kündigung (§ 4 Satz 1 KSchG). Nur wenn ein Kündigungsschreiben nachweislich zugegangen ist, kann der Arbeitgeber sich darauf berufen, dass die Klagefrist versäumt wurde.
Der Zugang liegt laut BAG dann vor, wenn das Schreiben in den Machtbereich des Empfängers gelangt und unter normalen Umständen zur Kenntnis genommen werden kann – typischerweise durch Einwurf in den Briefkasten.
Aber: Wer sich darauf beruft, dass die Kündigung zugegangen sei, trägt auch die Beweislast. Und genau daran scheiterte die Arbeitgeberin im entschiedenen Fall.
Kein Anscheinsbeweis beim Einwurf-Einschreiben ohne Auslieferungsbeleg
Der Arbeitgeber konnte keinen Auslieferungsbeleg der Deutschen Post vorlegen. Damit fiel der zentrale Baustein einer rechtssicheren Zustellung weg. Der Einlieferungsbeleg und der abrufbare Sendungsstatus („Die Sendung wurde am 28.07.2022 zugestellt.“) reichten dem BAG nicht aus.
Die Richter machten deutlich: Ein solcher Nachweis sei kein Beweis des ersten Anscheins. Denn ohne Auslieferungsbeleg wisse man nicht, wer zugestellt habe, wann und wie genau. Auch der Ausdruck des Sendungsverlaufs nütze nichts – er enthalte keine Details zur tatsächlichen Zustellung.
Post-Praxis unter der Lupe: Warum der Zustellprozess zählt
In früheren Entscheidungen hatte der Bundesgerichtshof (z. B. II ZR 299/15) einem Einwurf-Einschreiben unter bestimmten Voraussetzungen einen Anscheinsbeweis zugebilligt – etwa wenn der Zusteller das sogenannte „Peel-off-Label“ auf einen Auslieferungsbeleg klebt und unterschreibt.
Doch im BAG-Fall war unklar, ob dieses Verfahren überhaupt eingehalten wurde. Der Arbeitgeber hätte den Auslieferungsbeleg beantragen können – hatte das aber versäumt. Das Gericht stellte klar: Es hätte genügend Anlass dafür gegeben, spätestens nachdem die Arbeitnehmerin den Zugang bestritt.
Arbeitgeber in der Beweispflicht – und oft ohne Chance
Das Urteil bringt Klarheit: Wer eine Kündigung wirksam aussprechen will, muss den Zugang gerichtsfest belegen können. Und das geht nur mit einem zuverlässigen Zustellverfahren – etwa durch persönliche Übergabe mit Zeugen, Einwurfeinschreiben mit Auslieferungsbeleg oder Boten, die den Einwurf protokollieren können.
Bloße Behauptungen, ein Brief sei eingeworfen worden, reichen nicht. Auch ein digital abrufbarer Sendungsstatus ersetzt keinen echten Zustellnachweis.
Tipps der Redaktion
Wenn du eine Kündigung erhältst – oder vermutest, dass eine unterwegs sein könnte – solltest du Folgendes beachten:
- Bestreite den Zugang, wenn du kein Schreiben erhalten hast.
- Reagiere sofort, denn Fristen im Arbeitsrecht laufen schnell.
- Lass dich anwaltlich beraten, vor allem wenn eine Kündigung während Schwangerschaft, Elternzeit oder Krankheit erfolgt.
- Dokumentiere genau, was du wann erhalten hast – oder eben nicht.
- Arbeitgebern empfehlen wir, Kündigungen stets so zuzustellen, dass ein lückenloser Nachweis über den Zugang geführt werden kann.
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Eine kurze rechtliche Einschätzung durch die Expertenbrille
Das Urteil des BAG stärkt den Kündigungsschutz erheblich – vor allem in Fällen, in denen Arbeitgeber auf formelle Nachweise verzichten. In der anwaltlichen Praxis ist der Zugang der Kündigung regelmäßig Streitpunkt. Ohne Zeugen oder Auslieferungsbeleg ist die Beweislage schwach. Das BAG urteilt hier völlig klar: Ein Sendungsstatus ersetzt keinen physischen Zustellnachweis. Wer Kündigungen sicher durchsetzen will, muss den Aufwand für eine rechtssichere Zustellung betreiben – oder mit der Rechtsfolge leben, dass die Kündigung unwirksam bleibt.
Björn Kasper, Rechtsanwalt