Weihnachtsgeld – wer freut sich nicht über dieses Extra kurz vor dem Fest? Doch was viele nicht wissen: Auch wenn es im Arbeitsvertrag nicht steht, kann der Arbeitgeber trotzdem verpflichtet sein, zu zahlen. Und zwar jedes Jahr aufs Neue. Der Grund liegt in einem Prinzip, das kaum ein Arbeitnehmer kennt: der sogenannten betrieblichen Übung.
Denn aus einem Geschenk kann ganz schnell ein einklagbarer Anspruch werden. Was dafür nötig ist, wie sich Arbeitgeber dagegen schützen können – und wann es sich lohnt, juristisch Druck zu machen –, das erfährst du in diesem Artikel.
Weihnachtsgeld ohne Vertrag – trotzdem rechtlich bindend?
Arbeitgeber, die über Jahre hinweg Weihnachtsgeld zahlen, schaffen häufig ungewollt Fakten. Denn selbst wenn im Arbeitsvertrag keine Sonderzahlung geregelt ist, kann durch gleichbleibendes Verhalten ein verbindlicher Anspruch entstehen. Juristisch spricht man in solchen Fällen von einer betrieblichen Übung – einem Prinzip, das schon viele Unternehmen teuer zu stehen kam.
Wer also dreimal hintereinander Weihnachtsgeld bekommen hat, darf mit guten Gründen davon ausgehen, dass er es auch im vierten Jahr bekommt. Ein plötzlicher Zahlungsstopp ist dann nicht mehr ohne weiteres möglich.
Beweis: Gehaltsabrechnungen der Jahre 2020 bis 2022, Anlage 1
Was ist eigentlich eine „betriebliche Übung“?
Die betriebliche Übung ist ein arbeitsrechtlicher Mechanismus, der Vertrauen schützt. Wenn ein Arbeitgeber regelmäßig eine bestimmte Leistung gewährt – etwa Weihnachtsgeld –, kann daraus eine vertragsergänzende Verpflichtung entstehen. Entscheidend ist: Die Zahlung erfolgt ohne ausdrücklichen Vorbehalt, sie ist gleichmäßig und wiederholt sich mindestens drei Jahre in Folge.
Beispiel: Ein Unternehmen zahlt dreimal in Folge im Dezember jeweils 500 Euro zusätzlich. Ohne Hinweis, dass es sich um eine freiwillige Leistung handelt. Dann wird daraus mehr als eine nette Geste – nämlich ein Anspruch.
Beweis: Rundschreiben zur Weihnachtsgeldzahlung ohne Vorbehalt, Anlage 2
Kein Gesetz, aber klare Regeln
Das Gesetz schreibt Weihnachtsgeld nicht vor. Auch im Bürgerlichen Gesetzbuch sucht man vergeblich nach einem Paragrafen, der die Zahlung regelt. Dennoch kann sich ein Anspruch aus drei verschiedenen Quellen ergeben:
- Vertraglich: Wenn im Arbeitsvertrag oder im Tarifvertrag eine feste Regelung steht.
- Kollektivrechtlich: Wenn eine Betriebsvereinbarung die Zahlung vorsieht.
- Gewohnheitsrechtlich: Wenn eine betriebliche Übung entstanden ist.
Und genau diese dritte Möglichkeit führt in vielen Fällen zu Streit – denn sie entsteht nicht auf dem Papier, sondern im Verhalten. Arbeitgeber unterschätzen oft, wie schnell ein „freiwilliges“ Weihnachtsgeld zur Pflicht wird.
Beweis: Arbeitsvertrag der Arbeitnehmerin, ohne Sonderregelung, Anlage 3
Die magische Dreierregel: Wann wird’s verpflichtend?
Zahlt ein Arbeitgeber drei Jahre in Folge Weihnachtsgeld – jeweils zur gleichen Zeit und in vergleichbarer Höhe –, ist die betriebliche Übung meist nicht mehr zu leugnen. Selbst schwankende Beträge stehen dem nicht entgegen, solange der Charakter der Leistung gleich bleibt. Wichtig ist, dass keine vorbehaltlichen Erklärungen abgegeben wurden.
Ab dem vierten Jahr können sich Arbeitnehmer dann auf einen festen Anspruch berufen. Arbeitgeber, die dann plötzlich nicht mehr zahlen wollen, brauchen sehr gute Gründe – und im Zweifel eine arbeitsrechtliche Änderungskündigung.
Beweis: Gehaltsnachweise und Kontobewegungen, Anlage 4
Freiwillig? Widerruflich? Oft unwirksam
Viele Arbeitgeber versuchen, sich mit sogenannten Freiwilligkeitsvorbehalten aus der Affäre zu ziehen. Der Klassiker: „Die Zahlung erfolgt freiwillig und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht.“ Klingt klug, ist es aber nicht – zumindest nicht automatisch. Denn solche Klauseln sind nur wirksam, wenn sie jedes Jahr neu und individuell kommuniziert werden. Wer einmal eine solche Formulierung druckt und dann regelmäßig zahlt, schafft genau das Gegenteil: eine Erwartungshaltung.
Noch kritischer wird es, wenn Arbeitgeber den Freiwilligkeitsvorbehalt mit einem Widerrufsvorbehalt kombinieren. Das widerspricht sich rechtlich – und führt oft zur kompletten Unwirksamkeit beider Klauseln.
Beweis: Standardisierte Formulare mit widersprüchlichen Klauseln, Anlage 5
Höhe schwankt – Anspruch trotzdem möglich?
Selbst wenn das Weihnachtsgeld in den Vorjahren nicht immer exakt gleich hoch war, kann eine betriebliche Übung entstanden sein. Entscheidend ist, dass überhaupt gezahlt wurde – regelmäßig, in gleicher Form und ohne Vorbehalt. Dann besteht ein Anspruch – allerdings nicht zwingend auf die höchste bisher gezahlte Summe, sondern auf eine angemessene Sonderleistung im Rahmen der betrieblichen Übung.
Beweis: Vergleichende Aufstellung der Zahlungen 2020–2022, Anlage 6
Was tun, wenn das Geld plötzlich ausbleibt?
Wird nach Jahren regelmäßiger Zahlung plötzlich kein Weihnachtsgeld mehr überwiesen, sollten Arbeitnehmer nicht einfach stillhalten. Denn häufig liegt ein einklagbarer Anspruch vor – unabhängig von einer expliziten Regelung im Arbeitsvertrag.
Werden Zahlungen ohne Ankündigung eingestellt, obwohl eine betriebliche Übung vorliegt, ist das ein klarer Verstoß gegen arbeitsrechtliche Grundsätze. Hier lohnt sich der Gang zum Anwalt.
Beweis: Ausbleiben der Zahlung trotz vorausgegangener Leistung in drei Jahren, Anlage 7
Rechte sichern, Ansprüche durchsetzen
Die Erfahrung zeigt: Viele Arbeitnehmer verzichten auf ihr Weihnachtsgeld, weil sie glauben, es sei ohnehin nur eine freiwillige Leistung. Tatsächlich aber entstehen durch betriebliche Übung oft klare Rechtsansprüche – die sogar gerichtlich durchgesetzt werden können. Wer das weiß, ist klar im Vorteil.
Und Arbeitgeber sollten auf der anderen Seite wissen: Wer einmal zahlt, zahlt unter Umständen für immer – wenn er nicht rechtzeitig handelt und die richtigen Erklärungen abgibt.
Tipps der Redaktion
- Du hast drei Jahre in Folge Weihnachtsgeld erhalten? Dann kann daraus ein Anspruch geworden sein – auch ohne Vertrag.
- Lass deine Abrechnungen und interne Kommunikation prüfen, wenn das Weihnachtsgeld plötzlich ausbleibt.
- Arbeitgeber, die freiwillig zahlen wollen, sollten jedes Jahr einen klaren, wirksamen Freiwilligkeitsvorbehalt erklären – pauschale Formulierungen aus der Vergangenheit reichen nicht.
- Eine betriebliche Übung kann auch durch Zahlungen in unterschiedlicher Höhe entstehen – wichtig ist allein die Wiederholung und Regelmäßigkeit.
- Bei Unsicherheiten lohnt sich frühzeitige anwaltliche Beratung – bevor Fristen verstreichen.