Sonntag, September 28, 2025

Arbeitgeber lassen schnüffeln – aber dürfen sie das überhaupt?

Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 25. Juli 2024 entschieden, dass die Überwachung eines Mitarbeiters durch eine Detektei bei bloßem Verdacht auf vorgetäuschte Arbeitsunfähigkeit gegen die DSGVO verstößt. Arbeitnehmer haben in solchen Fällen Anspruch auf immateriellen Schadensersatz, selbst wenn kein psychologischer Schaden vorliegt. Arbeitgeber müssen nachweisen, dass der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert ist und keine milderen Mittel zur Verfügung standen. Die Entscheidung stärkt die Rechte von Beschäftigten und setzt neue Maßstäbe für datenschutzrechtliche Anforderungen im Arbeitsverhältnis. Arbeitnehmer können sich erfolgreich gegen Überwachung wehren.

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Wenn der Chef heimlich Detektive auf Mitarbeiter ansetzt, wird’s ernst: Das Bundesarbeitsgericht hat jetzt entschieden, wann eine solche Überwachung erlaubt ist – und wann nicht. Das Urteil vom 25. Juli 2024 (8 AZR 225/23) bringt Klarheit für Beschäftigte und Unternehmen. Es geht um nichts Geringeres als die Grenzen des Datenschutzes, den Schutz der Privatsphäre und den Anspruch auf immateriellen Schadensersatz bei unzulässiger Überwachung. Wir zeigen dir, was das Urteil bedeutet, welche Rechte du als Arbeitnehmer hast und wann du erfolgreich Schadensersatz fordern kannst.

Observation durch Detektive – ein Verstoß gegen die DSGVO?

In dem entschiedenen Fall hatte ein Arbeitgeber einen Außendienstmitarbeiter durch eine Detektei überwachen lassen. Der Verdacht: vorgetäuschte Arbeitsunfähigkeit. Die Observation dokumentierte unter anderem, wie der Mitarbeiter Gegenstände schleppte, eine Autobatterie trug und auf der Terrasse werkelte – obwohl er krankgeschrieben war.

Das Bundesarbeitsgericht stellte klar: Die Überwachung verletzte die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Denn durch die Beobachtung des Gangs, der körperlichen Belastbarkeit und des Gesundheitszustands wurden sogenannte Gesundheitsdaten im Sinne von Art. 9 DSGVO verarbeitet – ohne rechtfertigenden Grund.

Kein hinreichender Verdacht – keine Detektei

Wichtig: Allein der Zweifel an einer Krankschreibung rechtfertigt keine Observation. Der Arbeitgeber darf eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nur dann „anzweifeln“, wenn konkrete Tatsachen deren Beweiswert erschüttern. Im entschiedenen Fall fehlten diese. Auch dass der Arbeitnehmer privat versichert war und der Medizinische Dienst daher nicht hinzugezogen werden konnte, reicht nicht aus. Das Gericht betonte: Die Maßnahme war nicht erforderlich und deshalb datenschutzwidrig.

DSGVO-Schadensersatz: Es kommt nicht auf die Dauer an

Das BAG sprach dem Arbeitnehmer 1.500 Euro immateriellen Schadensersatz zu – obwohl keine psychischen Beschwerden vorlagen. Entscheidend war der Kontrollverlust über die eigenen Daten, die heimliche Beobachtung im privaten Bereich und die daraus resultierende Angst vor erneuter Überwachung.

Der EuGH hatte in vergleichbaren Entscheidungen (u.a. C-300/21, Österreichische Post) bereits klargestellt: Auch kurzfristiger Kontrollverlust oder bloße Sorge vor weiterer Beobachtung können einen ersatzfähigen immateriellen Schaden darstellen. Genau das griff das BAG nun auf.

Arbeitgeber aufgepasst – Datenschutz ist Chefsache

Das Urteil hat enorme Relevanz für alle Arbeitgeber: Wer Beschäftigte überwacht, muss rechtlich sauber arbeiten. Observationen sind nur unter strengsten Voraussetzungen zulässig. Ohne belegbare Zweifel an der Krankschreibung ist eine Überwachung rechtswidrig. Und das kann teuer werden.

Die Entscheidung stärkt die Rechte von Arbeitnehmern deutlich – insbesondere im Bereich des Beschäftigtendatenschutzes. Sie zeigt, dass Datenschutz nicht nur eine lästige Pflicht ist, sondern zivilrechtlich relevante Ansprüche auslösen kann. Und dass Arbeitnehmer sich gegen Eingriffe in ihre Privatsphäre erfolgreich wehren können.

Tipps der Redaktion

Wenn du glaubst, unzulässig überwacht worden zu sein – zum Beispiel durch Detektive oder heimliche Videoaufnahmen – solltest du:

  • Sofort Beweise sichern (z. B. Fotos, Berichte, Zeugenaussagen).
  • Akteneinsicht verlangen, wenn die Überwachung im Kündigungsprozess auftaucht.
  • Einen spezialisierten Anwalt kontaktieren, der deine Ansprüche prüft – insbesondere auf DSGVO-Schadensersatz.
  • Keine Scheu zeigen, auch bei immateriellen Schäden auf Entschädigung zu klagen – Gerichte erkennen diese zunehmend an.

Wenn du Fragen hast, kannst du jederzeit unsere Hauptseite besuchen.

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Dieser Service ist DSGVO-konform. LexPilot erbringt keine Rechtsberatung. Deine Anfrage wird an eine unserer Partnerkanzleien weitergeleitet, die dir kostenfrei antwortet.

Eine kurze rechtliche Einschätzung durch die Expertenbrille

Björn Kasper, Rechtsanwalt

„Das Urteil des BAG setzt ein deutliches Signal an Arbeitgeber, die allzu schnell zur Observation greifen. Datenschutzrechtlich relevante Eingriffe in die Privatsphäre von Beschäftigten – insbesondere im privaten Umfeld – sind nur in Ausnahmefällen zulässig. Arbeitgeber müssen vorher den Beweiswert ärztlicher Bescheinigungen erschüttern und mildere Mittel prüfen. Besonders praxisrelevant ist der Hinweis des BAG, dass auch der bloße Verlust von Kontrolle über persönliche Daten als immaterieller Schaden gelten kann. Für Arbeitnehmer eröffnet sich damit ein effektiver Rechtsschutz gegen Überwachung im Arbeitsverhältnis – auch dann, wenn kein psychologisches Gutachten vorliegt. Der Grundsatz bleibt: Datenschutz ist kein Papiertiger – er ist klagbar.“

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