Worum geht’s hier?
Der Bundestag plant eine tiefgreifende Änderung im Zivilprozessrecht: Die Zuständigkeit der Amtsgerichte soll künftig nicht mehr bei 5.000 €, sondern erst bei 10.000 € enden. Das bedeutet: Wer streitet, kann sich in deutlich mehr Fällen selbst vertreten – ohne Anwaltszwang, ohne höhere Instanzkosten. Was steckt hinter dem Referentenentwurf? Was heißt das für dich, wenn du dich künftig vor Gericht durchsetzen willst? Und warum ist das ein echtes Signal für mehr Bürgernähe in der Justiz?
Vielleicht kennst du das: Du willst dein Geld zurück, ein Unternehmen reagiert nicht, aber der Streitwert liegt „nur“ bei 6.000 oder 8.000 Euro. Bislang heißt das: ab zum Landgericht, mit Anwaltszwang – oft ein teures Risiko. Damit soll bald Schluss sein. Die neue Wertgrenze soll den Zugang zum Recht vereinfachen, entlasten und gerechter machen. Klingt gut? Finden wir auch. Und schauen uns das jetzt genau an.
Was sieht der Referentenentwurf vor?
Das Bundesjustizministerium hat im Frühjahr 2025 einen Referentenentwurf vorgelegt, der die Zivilprozessordnung anpassen soll. Der zentrale Punkt: Die sachliche Zuständigkeit der Amtsgerichte soll künftig bis zu einem Streitwert von 10.000 Euro reichen – aktuell liegt die Grenze bei 5.000 Euro. Verfahren über dieser Grenze landen bislang automatisch beim Landgericht, mit allen Konsequenzen: höherer Instanz, mehr Formalismus, und vor allem Anwaltszwang.
Durch die geplante Änderung soll ein deutlich größerer Teil alltäglicher Streitigkeiten vor die Amtsgerichte gebracht werden – also in eine gerichtliche Ebene, in der auch die Selbstvertretung möglich ist. Das Justizministerium begründet den Vorstoß mit der Absicht, Verfahren zu vereinfachen, das Recht bürgernäher zu gestalten und die Landgerichte zu entlasten.
Warum ist das ein Fortschritt?
Mehr Zuständigkeit der Amtsgerichte heißt: Du kannst dich in vielen Fällen selbst vertreten. Kein Anwaltszwang, kein teurer Prozesskostenvorschuss, keine juristische Hürde. Gerade in Alltagsfällen – Ärger mit einem Dienstleister, fehlerhafte Reparaturen, Sachmängel nach dem Autokauf – liegt der Streitwert oft zwischen 5.000 und 10.000 Euro. Bislang bedeutete das: Pflicht zur anwaltlichen Vertretung. Künftig kannst du selbst klagen – oder dich zumindest frei entscheiden, ob du einen Anwalt brauchst.
Hinzu kommt: Amtsgerichte urteilen oft schneller, pragmatischer und näher an der Lebenswirklichkeit. Die Verfahren sind einfacher, die Schriftsätze weniger technisch. Wer selbstbewusst und sachlich argumentieren kann, hat künftig deutlich bessere Chancen, seine Rechte durchzusetzen – ohne professionelle Hilfe von außen.
Was heißt das konkret für Verbraucher:innen?
Die Änderung öffnet den Weg zu mehr Selbstbestimmung. Wenn du einen berechtigten Anspruch hast – sei es gegen einen Händler, Dienstleister oder auch eine Versicherung – musst du künftig nicht mehr vor den hohen Kosten eines Anwalts zurückschrecken. Du kannst dich direkt an das Amtsgericht wenden, einen Mahnbescheid beantragen oder Klage erheben. Das senkt die Einstiegshürden erheblich.
Außerdem: Die Amtsgerichte sind näher dran – sowohl geografisch als auch kommunikativ. Während Landgerichte oft große Sprengel bedienen, findest du dein Amtsgericht meist direkt in der Stadt oder im Landkreis. Das spart nicht nur Wege, sondern auch Zeit und Nerven.
Entlastung der Justiz oder Überlastung der Amtsgerichte?
Kritiker befürchten, dass durch die Anhebung der Streitwertgrenze die Amtsgerichte überlastet werden könnten. Mehr Verfahren, mehr Eigenvertretung, mehr Prozesschaos? Möglich – aber nicht zwangsläufig. Die Entlastung der Landgerichte, die aktuell mit Massenverfahren, Bauprozessen und komplexen Wirtschaftssachen zu kämpfen haben, ist überfällig. Zudem haben viele Amtsgerichte heute bereits das Know-how, um auch höhere Streitwerte kompetent zu bearbeiten.
Das Risiko eines gewissen Chaos‘ zu Beginn ist da – aber langfristig stärkt der Schritt die Basis der deutschen Zivilgerichtsbarkeit: das Amtsgericht als bürgernahes Organ der Rechtspflege.
Unsere Tipps für dich
Wenn du in Zukunft eine Forderung bis 10.000 Euro geltend machen willst, lohnt sich der Blick auf die Möglichkeiten der Selbstvertretung. Kläre deinen Anspruch genau ab, dokumentiere alles sorgfältig und prüfe, ob du dir die direkte Klage zutraust. Viele Amtsgerichte bieten inzwischen auch Online-Informationen und Formularhilfen an. Und wenn du doch unsicher bist, kannst du immer noch einen Anwalt hinzuziehen – aber du musst es nicht mehr.
Auch gut zu wissen: Die Gerichtskosten bleiben überschaubar – gerade im Vergleich zu den Anwaltskosten, die du dir sparen kannst. Wer vorbereitet ist, gewinnt nicht nur an rechtlicher Schlagkraft, sondern auch an Selbstbestimmung.
Der Blick aus der Expertenbrille
Man mag ja viel über die deutsche Justiz sagen – aber diese Reform ist überfällig. Dass man bei einem Streit über 6.000 Euro bislang zwingend einen Anwalt beauftragen musste, war mehr Schikane als Schutz. Klar, Anwälte sichern Verfahren ab. Aber manchmal wollen Menschen einfach nur ihr Geld zurück, ohne gleich in der Paragrafenhölle zu versinken. Diese neue Regelung? Ein echter Fortschritt.
Natürlich wird’s erst mal holpern. Mehr Eigenvertretung heißt auch mehr Chaos in der Akte, mehr schlecht vorbereitete Kläger, mehr Arbeit für die Richter:innen. Aber ganz ehrlich: Die Gerichte können das. Und: Wer sich ein bisschen Mühe gibt, hat jetzt die Chance, den Zugang zum Recht selbst in die Hand zu nehmen – ganz ohne Kanzlei.
Ich sehe das als Signal: Weniger Hürden, mehr Gerechtigkeit. Und vielleicht auch ein kleiner Dämpfer für die Anwälte, die jeden Bagatellprozess zur Goldgrube machen wollen. Gut so.
FAQ – Häufige Fragen zur neuen Wertgrenze bei Amtsgerichten
1. Ab wann gilt die neue 10.000-Euro-Grenze beim Amtsgericht?
Derzeit handelt es sich noch um einen Referentenentwurf. Das bedeutet: Das Gesetz ist noch nicht beschlossen, aber der politische Wille ist da. Sobald der Bundestag die Änderung verabschiedet, wird sie im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und tritt danach in Kraft. Realistisch ist ein Inkrafttreten im Laufe des Jahres 2025.
2. Kann ich mich bei Streitwerten bis 10.000 € wirklich selbst vertreten?
Ja. Wenn der Streitwert unter 10.000 € liegt und die Zuständigkeit beim Amtsgericht liegt, besteht kein Anwaltszwang. Du kannst dich selbst vertreten, Schriftsätze einreichen und in der mündlichen Verhandlung auftreten. Natürlich ist eine gute Vorbereitung entscheidend – aber du hast die Wahl.
3. Was passiert mit laufenden Verfahren über 5.000 €, wenn das Gesetz geändert wird?
Grundsätzlich gilt die neue Zuständigkeitsregel erst für neue Verfahren, die nach Inkrafttreten eingeleitet werden. Laufende Verfahren bleiben beim zuständigen Landgericht. Eine rückwirkende Änderung ist nicht vorgesehen – so bleibt Rechtssicherheit gewahrt.
4. Welche Nachteile kann es haben, ohne Anwalt zu klagen?
Wenn du unvorbereitet auftrittst, wichtige Fristen versäumst oder dich nicht gut ausdrücken kannst, kann das Verfahren gegen dich laufen. Anwälte helfen bei Strategie und Formulierung. Die Selbstvertretung ist eine Chance – aber kein Selbstläufer. Wer gut vorbereitet ist, kann aber viel Geld sparen.
5. Bedeutet das neue Gesetz, dass Landgerichte weniger wichtig werden?
Nein. Landgerichte bleiben für komplexe, wirtschaftlich bedeutende Streitigkeiten zuständig. Die Reform verlagert nur die „alltäglichen“ zivilrechtlichen Verfahren mit mittlerem Streitwert zurück an die Basis – ohne den Instanzenzug grundsätzlich zu verändern.
6. Gilt das auch für arbeitsrechtliche oder familienrechtliche Streitigkeiten?
Nein. Die neue Wertgrenze betrifft nur die Zivilgerichtsbarkeit. Arbeits- und Familiensachen folgen eigenen Regeln und Zuständigkeiten. Dort bleibt es bei den bisherigen Grenzen und Verfahren.
7. Wie finde ich heraus, welches Gericht für meinen Fall zuständig ist?
Zuständig ist in der Regel das Amtsgericht am Wohnort oder Firmensitz der Gegenseite. Du kannst das online recherchieren oder beim Bürgerbüro nachfragen. Wichtig ist: Es muss ein Zivilfall sein, kein Straf- oder Verwaltungsthema.
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