Sonntag, September 28, 2025

Digitalisierung der Justiz – wenn der Rechtsstaat an der Technik scheitert

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Fortschritt mit Hindernissen: Deutschlands Justiz kämpft mit der digitalen Wende

Die Digitalisierung ist längst in den meisten Lebensbereichen angekommen – beim Onlinebanking, im Gesundheitswesen, in der Verwaltung. Doch ausgerechnet in der Justiz, dem Herzstück unseres Rechtsstaats, verläuft die digitale Transformation zäh. Zwar wurde mit der Einführung der E-Akte und dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) ein bedeutender Schritt eingeleitet, doch die Realität in den Gerichten zeigt: Die Systeme sind oft unzuverlässig, Prozesse uneinheitlich, und das Personal vielerorts nicht ausreichend geschult.

Gerichtssäle, in denen noch mit Papierakten hantiert wird, unklare Zuständigkeiten bei technischen Ausfällen, Faxgeräte als Notlösung – all das ist im Jahr 2025 keine Ausnahme, sondern Alltag.

Stand der Dinge: E-Akte, beA und digitale Justizportale

Zentraler Baustein der Justizdigitalisierung ist die elektronische Akte (E-Akte), die bundesweit bis Ende 2026 verpflichtend eingeführt sein soll. In vielen Bundesländern ist die Einführung bereits angelaufen, etwa in Hessen, Bayern und Baden-Württemberg. Doch der digitale Aktenzugriff funktioniert nicht immer reibungslos. Teilweise kommt es zu Systemabstürzen, Kompatibilitätsproblemen oder fehlenden Schnittstellen zwischen Gerichten und Anwaltssoftware.

Ein weiteres Element ist das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) – das seit 2022 verpflichtend für Anwältinnen und Anwälte ist. Doch auch hier hakt es: Der Deutsche Anwaltverein sowie die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) kritisieren regelmäßige Störungen, eingeschränkte Funktionalität und mangelnden Support. Besonders in Verfahren mit hohem Zeitdruck führt das zu Problemen – von Fristversäumnissen bis hin zu Kommunikationsabbrüchen.

Probleme mit Struktur: Warum der Fortschritt stockt

Die Ursachen für die schleppende Digitalisierung sind vielfältig:

  • Zersplitterung der Zuständigkeiten: Jedes Bundesland setzt eigene technische Standards um, was zu erheblichen Kompatibilitätsproblemen führt.
  • Fehlende Schulung und Akzeptanz: Viele Beschäftigte sind nicht ausreichend im Umgang mit neuen Systemen geschult – oder nutzen sie aus Unsicherheit nicht vollumfänglich.
  • Mangelhafte Infrastruktur: Gerade in ländlichen Regionen fehlt es teils an stabilen Internetverbindungen oder modern ausgestatteten Gerichtsräumen.
  • Komplexe Vergabeverfahren: IT-Ausschreibungen im Justizbereich sind langwierig und anfällig für Verzögerungen.

Wie die Digitalisierung dennoch gelingen kann

Trotz der Probleme gibt es Lichtblicke. Einige Länder – etwa Nordrhein-Westfalen – setzen auf dezentrale IT-Supportstrukturen und flächendeckende Schulungsprogramme. Der Bundesgesetzgeber arbeitet an übergreifenden Schnittstellenlösungen. Und Gerichte wie das OLG Köln erproben digitale Verfahrensmanagementsysteme mit Erfolg.

Notwendig sind:

  • einheitliche Standards für Schnittstellen und Aktenformate bundesweit,
  • flächendeckende Schulungsprogramme für alle Justizmitarbeiterinnen und -mitarbeiter,
  • verlässliche Supportsysteme für Anwältinnen und Anwälte bei technischen Problemen,
  • und eine klare Priorisierung digitaler Verfahren in der politischen Agenda.

Redaktionstipps für Verbraucher

Auch wenn das Justizsystem hinterherhinkt, können Sie selbst digital vorbereitet sein:

  • Lassen Sie Ihre Schriftsätze stets digital abspeichern und zusätzlich ausdrucken.
  • Bestehen Sie auf Zustellungsnachweise – digital und postalisch.
  • Bei technischer Unsicherheit: Kontaktieren Sie das Gericht direkt per E-Mail oder Telefon.
  • Verfolgen Sie die Zustellung im beA aktiv und regelmäßig – auch über Feiertage und Urlaubszeiten hinweg.

Wenn du weitere Fragen zum Thema hast, kannst du gerne unser Kontaktformular nutzen:

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FAQ-Bereich

Warum funktioniert das beA so oft nicht zuverlässig?
Die Infrastruktur ist fehleranfällig, Updates führen teils zu Kompatibilitätsproblemen, und Supportstrukturen sind nicht ausreichend etabliert.

Was passiert, wenn eine Frist wegen beA-Störung versäumt wird?
Grundsätzlich bleibt die Frist bestehen. In Einzelfällen kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt werden – mit Nachweis der technischen Störung.

Warum ist die elektronische Akte noch nicht überall eingeführt?
Die Umsetzung ist föderal organisiert, jedes Land setzt eigene IT-Lösungen um, was Zeit kostet und technische Hürden schafft.

Was können Anwälte bei technischen Problemen tun?
Technische Probleme müssen dokumentiert werden, möglichst mit Screenshots, und sollten dem Gericht unverzüglich mitgeteilt werden.

Wann ist mit vollständiger Digitalisierung der Gerichte zu rechnen?
Derzeit ist die Einführung der E-Akte bis Ende 2026 geplant, doch Verzögerungen sind aufgrund der Komplexität nicht ausgeschlossen.

„Die Digitalisierung darf in der Justiz kein Lippenbekenntnis bleiben. Wenn Bürger und Anwälte auf Technik vertrauen sollen, muss diese funktionieren – zuverlässig, sicher und flächendeckend. Die Justiz darf nicht zum digitalen Entwicklungsland werden.“
RA Björn Wilhelm Kasper

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