Worum geht’s hier?
Immer mehr Unternehmen in Deutschland melden Insolvenz an – die Pleitewelle rollt quer durch alle Branchen. Wenn plötzlich der Arbeitgeber zahlungsunfähig ist, geht es für Arbeitnehmer um die Existenz: Was passiert mit dem Gehalt? Was ist mit Urlaubstagen, Kündigungsfristen oder offenen Überstunden? Und was kannst du tun, damit du nicht leer ausgehst?
In diesem Artikel zeigen wir dir klar und verständlich, welche Rechte du bei einer Insolvenz deines Arbeitgebers hast, wie du Insolvenzgeld beantragst, wie du deine Forderungen anmeldest – und wie du dich vor Nachteilen schützt. Denn wer jetzt die richtigen Schritte kennt, kann viel retten.
Was passiert, wenn dein Arbeitgeber Insolvenz anmeldet?
Wird ein Insolvenzantrag gestellt, bedeutet das nicht automatisch, dass der Betrieb sofort schließt. Oft läuft der Geschäftsbetrieb in der sogenannten Insolvenz in Eigenverwaltung oder unter einem vorläufigen Insolvenzverwalter weiter. Du bleibst weiter angestellt – zunächst einmal ändert sich an deinem Arbeitsverhältnis nichts.
Problematisch wird es, wenn dein Lohn nicht mehr gezahlt wird. In diesem Fall springt die Bundesagentur für Arbeit ein – mit dem sogenannten Insolvenzgeld.
Was ist Insolvenzgeld – und wie beantragst du es?
Das Insolvenzgeld ersetzt deinen Nettoverdienst für die letzten drei Monate vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 165 SGB III). Du bekommst es brutto = netto, also ohne Abzüge. Der Antrag muss spätestens zwei Monate nach Verfahrenseröffnung bei der Agentur für Arbeit gestellt werden.
Wichtig: Der Antrag muss schriftlich gestellt werden, am besten mit Unterstützung durch einen Anwalt oder eine Gewerkschaft. Benötigt werden Gehaltsnachweise, Arbeitsvertrag, Nachweis über das Insolvenzverfahren und ggf. Bescheinigungen des Insolvenzverwalters.
Das Insolvenzgeld wird in der Regel zügig ausgezahlt und verschafft dir einen wichtigen finanziellen Puffer – auch, wenn dein Arbeitgeber schon seit Wochen nicht mehr zahlt.
Welche Ansprüche hast du als Arbeitnehmer im Insolvenzfall?
Neben dem Anspruch auf Insolvenzgeld hast du unter bestimmten Bedingungen weitere Rechte, die du zur Insolvenztabelle anmelden kannst:
- Offener Lohn aus der Zeit vor dem Insolvenzgeld-Zeitraum (älter als drei Monate)
- Urlaubsabgeltung, wenn Urlaubstage nicht mehr genommen werden können
- Überstundenvergütung, sofern diese nachweisbar und arbeitsrechtlich anerkannt ist
- Abfindung, wenn vertraglich zugesichert oder im Kündigungsschutzverfahren erstritten
- Kündigungsentschädigung bei Nichtbeachtung gesetzlicher Fristen
Diese Forderungen musst du schriftlich beim Insolvenzverwalter anmelden. Du erhältst dazu meist ein Formular, das im Insolvenzverfahren verteilt wird. Die Forderungen werden dann in die Tabelle eingetragen – du erhältst eine sogenannte Tabellebestätigung, aber erst am Ende des Verfahrens wird über die Quote entschieden.
Kann dich der Insolvenzverwalter einfach kündigen?
Ja – aber nicht sofort und nicht willkürlich. Bei einer Insolvenz gelten verkürzte Kündigungsfristen von maximal drei Monaten zum Monatsende, selbst wenn dein Vertrag eine längere Frist vorsieht (§ 113 InsO). Eine Kündigung muss dennoch formgerecht und schriftlich erfolgen.
Du kannst – und solltest – auch bei Insolvenz Kündigungsschutzklage einreichen, wenn du der Meinung bist, dass die Kündigung sozial ungerechtfertigt ist. Die Frist beträgt nur drei Wochen nach Zugang der Kündigung.
Achtung: Wer nicht klagt, riskiert Sperrzeiten beim Arbeitslosengeld – auch bei Insolvenz.
Was musst du bei der Arbeitsagentur beachten?
Sobald klar ist, dass dein Arbeitsplatz gefährdet ist, musst du dich unverzüglich arbeitssuchend melden – spätestens drei Tage nach Kenntnis der Kündigung. Das ist unabhängig davon, ob du eine Kündigung erhalten hast oder nicht.
Nur wer sich rechtzeitig meldet, vermeidet Sperrzeiten beim Arbeitslosengeld. Auch eine schnelle Anmeldung zur Arbeitsvermittlung hilft, Lücken im Lebenslauf zu vermeiden.
Zusätzlich zur Arbeitssuche musst du auch das Insolvenzgeld beantragen – siehe oben. Die Agentur für Arbeit unterstützt dich dabei, viele Infos gibt es auch online.
Unsere Tipps für dich
Wenn dein Arbeitgeber insolvent ist, solltest du sofort handeln – und nichts auf die lange Bank schieben. Die wichtigsten Schritte:
- Melde dich sofort bei der Arbeitsagentur arbeitssuchend
- Beantrage Insolvenzgeld innerhalb von zwei Monaten
- Sammle alle Nachweise zu deinem Arbeitsverhältnis
- Reiche deine Forderungen zur Tabelle ein, wenn du Lohn, Urlaub oder Abfindungen geltend machst
- Prüfe jede Kündigung und reiche ggf. Klage beim Arbeitsgericht ein
- Hol dir im Zweifel rechtliche Hilfe – z. B. über deine Rechtsschutzversicherung oder Gewerkschaft
Je strukturierter du vorgehst, desto mehr rettest du. Wer wartet, verliert oft Geld – und Rechte.
Der Blick aus der Expertenbrille
Eine Insolvenz ist kein Weltuntergang – aber sie trifft Arbeitnehmer oft härter als den Chef. Während Gläubiger abwägen und Insolvenzverwalter verhandeln, geht’s für die Beschäftigten um die nackte Existenz: Miete, Strom, Familie, Zukunft.
Was mich in der Praxis regelmäßig nervt? Dass viele Arbeitnehmer aus Scham oder Unsicherheit zu spät reagieren. Sie wissen nicht, dass das Insolvenzgeld fast alles ausgleicht – und dass man mit ein paar Formularen schon viel bewirken kann. Oder sie kündigen sogar selbst – was völliger Unsinn ist. Denn dann gibt’s kein Insolvenzgeld.
Auch die Mär vom „sicheren Arbeitsplatz“ im laufenden Insolvenzverfahren ist gefährlich. Wenn kein Geld mehr da ist, wird gekürzt – zuerst bei den Arbeitsverträgen. Deshalb: Frühzeitig zum Anwalt, sauber dokumentieren, Forderungen anmelden, Fristen einhalten.
Und noch ein Tipp: Lass dich nicht von leeren Versprechungen des Insolvenzverwalters blenden – seine Aufgabe ist die Masse, nicht deine Karriere. Wer sein Recht kennt, kann am Ende sogar gestärkt aus der Sache rausgehen. Aber nur, wenn man sich wehrt.
FAQ – 7 wichtige Fragen zur Insolvenz deines Arbeitgebers
Was ist Insolvenzgeld und wie erhalte ich es?
Insolvenzgeld ersetzt dein ausstehendes Nettoentgelt für die letzten drei Monate vor der Insolvenzeröffnung. Du musst es innerhalb von zwei Monaten nach Verfahrenseröffnung bei der Agentur für Arbeit beantragen. Die Auszahlung erfolgt nur bei vollständiger Antragstellung inklusive Nachweise wie Arbeitsvertrag und Lohnabrechnungen.
Welche Lohnansprüche kann ich im Insolvenzverfahren anmelden?
Du kannst Gehälter, Überstundenvergütung, Urlaubsabgeltung oder auch vertraglich zugesagte Abfindungen anmelden – sofern sie nicht durch das Insolvenzgeld abgedeckt sind. Die Anmeldung erfolgt schriftlich beim Insolvenzverwalter und wird in die Insolvenztabelle aufgenommen. Die tatsächliche Auszahlung erfolgt je nach Quote erst am Ende des Verfahrens.
Gilt meine Kündigungsfrist auch im Insolvenzverfahren?
Nein. Der Insolvenzverwalter darf unabhängig vom Arbeitsvertrag mit einer Sonderfrist von maximal drei Monaten zum Monatsende kündigen (§ 113 InsO). Dennoch muss die Kündigung schriftlich erfolgen, und du kannst dagegen innerhalb von drei Wochen Klage erheben.
Wann sollte ich mich arbeitssuchend melden?
Sobald du erfährst, dass dein Arbeitsplatz gefährdet ist – also bei drohender Insolvenz, Nichtzahlung des Lohns oder Kündigungsandrohung. Spätestens innerhalb von drei Tagen musst du dich bei der Agentur für Arbeit arbeitssuchend melden, sonst droht eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld.
Kann ich auch selbst kündigen, um schneller Geld vom Amt zu bekommen?
Davon ist dringend abzuraten. Wer selbst kündigt, riskiert den Anspruch auf Insolvenzgeld und bekommt möglicherweise eine Sperrfrist beim Arbeitslosengeld. Besser: Kündigung durch Arbeitgeber abwarten oder rechtlich beraten lassen, bevor du Schritte unternimmst.
Was passiert, wenn ich keine Forderungen anmelde?
Dann verlierst du deine Ansprüche aus der Zeit vor Insolvenzeröffnung. Nur wer schriftlich und formgerecht anmeldet, wird in die Tabelle aufgenommen und erhält im besten Fall eine Quote. Bei Fristversäumnis besteht kein Anspruch auf Nachmeldung – also unbedingt aktiv werden.
Lohnt sich eine Kündigungsschutzklage bei Insolvenz überhaupt?
Ja – vor allem, wenn die Kündigung sozial ungerechtfertigt ist oder Sonderkündigungsschutz besteht. Auch wenn es um Abfindung oder Weiterbeschäftigung geht, ist die Klage wichtig. Sie zeigt dem Insolvenzverwalter, dass du deine Rechte kennst – und erhöht deine Verhandlungsposition.