Montag, September 29, 2025

Krankschreibung im Ausland – Wann der Arbeitgeber nicht zahlen muss

Krankschreibung im Urlaub ist ein sensibles Thema im Arbeitsrecht, insbesondere wenn das Attest aus dem Ausland stammt. Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 15. Januar 2025 (Az. 5 AZR 284/24) klargestellt, dass eine ausländische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung grundsätzlich den gleichen Beweiswert haben kann wie eine in Deutschland ausgestellte AU – aber nur, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Das Attest muss erkennen lassen, dass die Krankheit zur Arbeitsunfähigkeit im Sinne des deutschen Rechts führt. Wird der Beweiswert durch konkrete Umstände erschüttert, trifft den Arbeitnehmer die volle Darlegungs- und Beweislast. Eine lange Krankschreibung, Reise trotz attestiertem Reiseverbot, mangelnde medizinische Erläuterung oder frühere Krankschreibungen direkt nach Urlaubszeiten können zusammengenommen Zweifel begründen. Arbeitgeber müssen nicht den Gegenbeweis antreten, sondern lediglich konkrete Anhaltspunkte aufzeigen, die Misstrauen rechtfertigen. Für Arbeitnehmer bedeutet das: Wer sich im Ausland krankmeldet, sollte besonders sorgfältig dokumentieren, medizinische Details offenlegen und widersprüchliches Verhalten vermeiden. Das Urteil stärkt die Position der Arbeitgeber im Umgang mit auffälligen AU-Bescheinigungen und zeigt die Bedeutung der Gesamtwürdigung für den Beweiswert. Arbeitnehmer sollten genau prüfen, ob ihr Verhalten dem Inhalt des Attests entspricht, um nicht den Anspruch auf Lohnfortzahlung zu verlieren. Das Urteil betrifft jeden Beschäftigten, der im Ausland erkrankt, und gibt Arbeitgebern neue Spielräume bei der Kontrolle.

Teile den Artikel:

Darum geht’s in diesem Artikel:

Wer im Ausland krank wird und eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegt, geht meist davon aus, dass der Lohn weiterfließt. Doch was, wenn der Arbeitgeber Zweifel anmeldet? Und wann reicht ein ausländisches Attest nicht aus, um den Lohnfortzahlungsanspruch zu sichern? Ein neues Urteil des Bundesarbeitsgerichts bringt Licht ins Dunkel – mit drastischen Folgen für Beschäftigte mit Fernweh.

Das Urteil vom 15. Januar 2025 (Az. 5 AZR 284/24) stellt klar: Auch eine ärztliche Bescheinigung aus einem Nicht-EU-Staat wie Tunesien kann grundsätzlich den Beweis für eine Arbeitsunfähigkeit erbringen. Doch der Beweiswert dieser Bescheinigung kann durch konkrete Umstände erschüttert werden – und genau dann wird es für Arbeitnehmer richtig unangenehm. Denn fällt der Beweiswert weg, muss der gesamte Krankheitsverlauf detailliert nachgewiesen werden. Die Latte liegt dabei hoch.

Beweiswert ausländischer Atteste: Nicht automatisch, aber möglich

Zunächst bestätigt das BAG die bisherige Linie: Eine im Ausland ausgestellte ärztliche Bescheinigung kann denselben Beweiswert wie eine in Deutschland ausgestellte AU-Bescheinigung haben – vorausgesetzt, sie genügt den Anforderungen des deutschen Arbeits- und Sozialversicherungsrechts. Das bedeutet: Es muss erkennbar sein, dass der Arzt zwischen bloßer Erkrankung und einer mit Arbeitsunfähigkeit verbundenen Krankheit differenziert hat.

Im entschiedenen Fall hatte ein Lagermitarbeiter während seines Urlaubs in Tunesien ein französischsprachiges Attest vorgelegt, das eine 24-tägige Arbeitsunfähigkeit wegen „schwerer Ischialbeschwerden“ bescheinigte – inklusive Reiseverbot. Die Rückreise trat er dennoch vor Ablauf der Krankschreibung an. Und genau das wurde ihm zum Verhängnis.

BAG: Erschütterung des Beweiswerts durch Gesamtwürdigung

Das BAG hob das Urteil des LAG München auf, das noch zugunsten des Klägers entschieden hatte. Der Knackpunkt: Das Landesarbeitsgericht hatte die Zweifel des Arbeitgebers an der Krankschreibung einzeln geprüft, jedoch keine Gesamtbetrachtung vorgenommen. Das war rechtsfehlerhaft, so das BAG.

Denn die Richter in Erfurt sehen in der Gesamtschau „ernsthafte Zweifel“ an der Arbeitsunfähigkeit:

  • Das Attest aus Tunesien ordnete „strenge häusliche Ruhe“ und Reiseverbot an – dennoch buchte der Arbeitnehmer nur einen Tag nach der Diagnose ein Fährticket und trat vor Ablauf der Bescheinigung eine über 30-stündige Rückreise an.
  • Es fehlten medizinische Erläuterungen, warum ein derart langer Zeitraum (24 Tage) gerechtfertigt war.
  • Eine Nachkontrolle oder Wiedervorstellung beim Arzt fand nicht statt.
  • Hinzu kamen frühere Krankschreibungen, die unmittelbar an Urlaubszeiträume anschlossen – ein weiterer belastender Faktor in der Gesamtbetrachtung.

Folge: Rückfall in die volle Darlegungspflicht des Arbeitnehmers

Hat der Arbeitgeber den Beweiswert eines Attests erfolgreich erschüttert, fällt die gesetzliche Beweiserleichterung weg. Der Arbeitnehmer muss nun im Einzelnen darlegen, welche konkreten gesundheitlichen Beschwerden bestanden, welche Einschränkungen sich daraus ergaben und welche ärztlichen Anordnungen erfolgt sind.

Pauschale Angaben reichen dabei nicht aus. Wer sich auf ein ausländisches Attest beruft, muss notfalls auch medizinische Detailangaben zur Erkrankung, Diagnostik und Behandlungsweise liefern. Die ärztliche Schweigepflicht kann dem nicht entgegengehalten werden, wenn es um die gerichtliche Durchsetzung von Entgeltfortzahlung geht.

Tipps der Redaktion:

Wenn du im Ausland krank wirst, solltest du Folgendes beachten, um Ärger mit dem Arbeitgeber zu vermeiden:

  • Achte darauf, dass das Attest auch aus deutscher Sicht eine Arbeitsunfähigkeit nach § 3 Abs. 1 EFZG bescheinigt – also keine bloße Krankheit, sondern konkrete Einschränkungen.
  • Lass das Attest übersetzen und erläutern – am besten direkt durch den behandelnden Arzt.
  • Dokumentiere deinen Zustand (z. B. Fotos, Verlauf, Medikamente) – vor allem, wenn du trotz Krankschreibung reist.
  • Vermeide Reisebewegungen, wenn das Attest Ruhe und Bewegungsverzicht anordnet – sonst riskierst du deinen Anspruch.
  • Besteht Zweifel am Attest, musst du im Zweifel alles offenlegen – inklusive Diagnosen, Behandlungen und Verlauf.
  • Wiederholte Krankschreibungen nach Urlaubsende wecken generell Misstrauen – sorge für saubere Dokumentation.

Wenn du Fragen hast, kannst du jederzeit unsere Hauptseite besuchen.

DSGVO-konforme Übermittlung rechtlicher Fragen – keine Rechtsberatung durch LexPilot, sondern Weiterleitung an Partnerkanzleien mit kostenfreier Antwort.

Eine kurze rechtliche Einschätzung durch die Expertenbrille

„Das Urteil des BAG schärft den Blick für den Missbrauch von AU-Bescheinigungen, insbesondere im Ausland. Arbeitgeber sind nicht wehrlos, wenn eine Krankschreibung Zweifel aufwirft. Entscheidend ist nicht ein einzelner Verdachtsmoment, sondern die Gesamtschau – Reisebewegungen trotz Attests, mangelnde Erläuterungen, Wiederholungstäterverhalten. Für Arbeitnehmer bedeutet das: Wer seine Krankschreibung retten will, muss in Zukunft mehr liefern als ein Standardformular – Transparenz ist Pflicht.“

Björn Kasper, Rechtsanwalt

Name, Vorname:
Möchtest Du in Zukunft per E-Mail über Neuigkeiten, Urteile usw. informiert werden?

💼 Lexmart Abfindungsrechner

Berechne deine voraussichtliche Abfindung ganz einfach – basierend auf § 1a KSchG (Standardfaktor 0,5).

⚠️ Diese Berechnung ist unverbindlich und ersetzt keine Rechtsberatung.

Letzte Beiträge für Dich

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner