1. Was Vermieter bei Eigenbedarf wirklich dürfen
Die Kündigung wegen Eigenbedarfs ist einer der häufigsten Gründe, warum Mieter ihre Wohnung verlieren – und einer der umstrittensten. Viele Betroffene fühlen sich überrumpelt oder machtlos. Doch die gute Nachricht: Nicht jede Eigenbedarfskündigung ist wirksam. Im Gegenteil – viele scheitern bereits an Formfehlern oder unzureichender Begründung.
Nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB darf ein Vermieter kündigen, wenn er die Wohnung für sich selbst oder nahe Angehörige benötigt. Aber: Die Hürden sind hoch. Die bloße Behauptung reicht nicht – der Eigenbedarf muss konkret, nachvollziehbar und ernsthaft sein. Und er muss schriftlich und begründet erklärt werden. Fehlt eine dieser Voraussetzungen, ist die Kündigung unwirksam.
2. Gültige Gründe für Eigenbedarf – und was nicht zählt
Nicht alles, was ein Vermieter als Eigenbedarf darstellt, ist auch juristisch tragfähig. Zulässige Gründe sind beispielsweise:
- Die Wohnung wird für den Vermieter selbst benötigt – etwa wegen Trennung, Umzug oder gesundheitlicher Einschränkungen.
 - Ein Kind, Elternteil oder anderer naher Angehöriger will dort einziehen – z. B. für ein Studium oder um näher bei der Familie zu sein.
 - Der Vermieter möchte seine Wohnverhältnisse verbessern – z. B. Verkleinerung im Alter oder Vermeidung von Treppen.
 
Unzulässige oder zweifelhafte Begründungen sind dagegen:
- Allgemeine Anlage- oder Verkaufsinteressen
 - Vage Zukunftspläne („Vielleicht will mein Sohn in zwei Jahren einziehen“)
 - Wirtschaftliche Gründe („Ich kann anders mehr Miete verlangen“)
 
Der Eigenbedarf muss echt sein – nicht vorgeschoben. Und das kann der Mieter prüfen lassen.
3. Diese Personen zählen zum engen Familienkreis
Nicht nur der Vermieter selbst darf Eigenbedarf anmelden. Auch Angehörige können einziehen – aber nur, wenn ein enger persönlicher Bezug besteht. Die Gerichte erkennen vor allem folgende Personen an:
- Ehepartner, Lebenspartner, Kinder, Eltern, Enkel, Großeltern
 - Geschwister, Schwiegerkinder, Schwiegereltern (je nach Nähe)
 - In Ausnahmefällen: Nichten, Neffen, Pflegekinder
 
Nicht ausreichend ist die bloße Bekanntschaft oder geschäftliche Verbindung. Auch bei entfernten Verwandten kommt es auf den tatsächlichen Lebensbezug an. Der Vermieter muss erklären können, warum genau diese Wohnung für diese Person benötigt wird – und nicht irgendeine andere.
4. Formfehler, Fristprobleme, Lücken: Die häufigsten Angriffsflächen
Viele Eigenbedarfskündigungen scheitern nicht am Grund, sondern an der Umsetzung. Häufige Fehler:
- Unzureichende Begründung: Der Kündigungsgrund muss klar dargelegt sein – Name, Verhältnis, Nutzungszweck.
 - Falsche Kündigungsfrist: Je nach Mietdauer gelten Fristen zwischen drei und neun Monaten.
 - Keine Schriftform: Die Kündigung muss handschriftlich unterschrieben sein – keine E-Mail oder SMS!
 - Fristversäumnis: Die Frist beginnt erst mit Zugang der Kündigung – nicht mit dem Absendedatum.
 
Tipp: Wer als Mieter eine Kündigung erhält, sollte sie sofort juristisch prüfen lassen. Schon kleine Formfehler machen das ganze Schreiben unwirksam.
5. Härtefallregelung: Wann Mieter bleiben dürfen
Selbst wenn der Eigenbedarf berechtigt ist, können Mieter sich auf einen Härtefall nach § 574 BGB berufen. Das gilt insbesondere bei:
- Schwerer Krankheit
 - Hohes Alter und lange Mietdauer
 - Schwangerschaft oder bevorstehende Entbindung
 - Fehlen zumutbarer Ersatzwohnungen
 - Kinder mit Schul- oder Kitabindung
 
Der Härteeinwand muss spätestens zwei Monate nach Zugang der Kündigung geltend gemacht werden – schriftlich und mit Nachweisen. Ob ein Härtefall anerkannt wird, entscheidet am Ende das Gericht – und zwar nach umfassender Interessenabwägung.
Die Praxis zeigt: Je länger die Mietdauer und je verwurzelter der Mieter im sozialen Umfeld, desto höher die Chancen, dass der Eigenbedarf zurückgewiesen oder zeitlich verschoben wird.
6. So prüfen Gerichte den Eigenbedarf
Die Rechtsprechung zum Eigenbedarf ist umfangreich – und oft mieterfreundlicher als gedacht. Gerichte prüfen in der Regel:
- Ob der Bedarf aktuell oder nur vage geplant ist
 - Ob die Wohnung geeignet ist (Größe, Lage, Zustand)
 - Ob andere Wohnungen im Besitz des Vermieters zur Verfügung stehen
 - Ob der Mieter ein berechtigtes Interesse am Verbleib hat
 
Vermieter müssen nachvollziehbar darlegen, warum keine andere Wohnung für den Bedarf infrage kommt – vor allem, wenn sie mehrere Immobilien besitzen. Reicht der Vermieter z. B. eine Kündigung ein, obwohl eine passende leerstehende Wohnung im gleichen Haus vorhanden ist, kann das zur Unwirksamkeit führen.
7. Was tun bei vorgeschobenem Eigenbedarf?
Nicht selten vermuten Mieter, dass der Eigenbedarf nur vorgeschoben ist – etwa um neue, zahlungskräftigere Mieter einzusetzen. Wenn der angeblich einziehende Angehörige nie erscheint, oder die Wohnung direkt nach der Kündigung weitervermietet wird, liegt der Verdacht nahe.
In solchen Fällen können Mieter Schadensersatz verlangen – etwa für Umzugskosten, höhere Miete in der neuen Wohnung oder Anwaltskosten. Die Gerichte setzen hier jedoch strenge Maßstäbe an: Der Vorsatz des Vermieters muss nachgewiesen werden.
Tipp: Dokumentieren Sie genau, was mit der Wohnung nach Ihrem Auszug passiert. Wird sie weitervermietet oder verkauft, kann das ein Indiz für Missbrauch sein.
8. Eigenbedarf als Kündigungsgrund bei Staffelmiete, Zeitmiete & Co
Nicht jede Mietform lässt sich problemlos wegen Eigenbedarfs kündigen:
- Staffelmietverträge: Kündigung wegen Eigenbedarf ist grundsätzlich möglich – aber mit Einschränkungen, wenn sie „ausschließlich wegen des Staffelbetrags“ erfolgt.
 - Zeitmietverträge: Eigenbedarf muss vor Vertragsbeginn angekündigt sein – sonst keine Kündigung möglich.
 - Untermietverhältnisse: Hier gelten oft abweichende Regeln – besonders bei möblierten Zimmern im selbst bewohnten Haus.
 
Auch bei Zweckentfremdung (z. B. Airbnb-Vermietung) kann das Minderungsrecht bestehen bleiben – unabhängig vom Eigenbedarf.
9. Vermieterpflichten: Alternativwohnungen und Sozialabwägung
Vermieter sind verpflichtet, frei werdende Alternativwohnungen im selben Haus oder Komplex dem Mieter anzubieten – sofern vorhanden. Tun sie das nicht, kann das zur Unwirksamkeit der Kündigung führen.
Zudem müssen sie bei Eigenbedarfskündigungen soziale Gesichtspunkte berücksichtigen: Alter, Krankheit, Kinder, Verwurzelung. Diese Abwägung ist zentral – und oft entscheidend vor Gericht.
Achtung: Eine „Luxussanierung mit Eigenbedarfskündigung“ ist besonders prüfungsbedürftig. Hier wird oft ein Umgehungsgeschäft vermutet.
10. Tipps der Redaktion: So reagieren Sie auf eine Eigenbedarfskündigung
- Kündigung prüfen lassen – am besten direkt nach Erhalt
 - Härtefall anmelden – schriftlich und mit Belegen
 - Kündigungsgrund hinterfragen – ist er plausibel, nachvollziehbar, aktuell?
 - Nach Alternativen fragen – gibt es andere Wohnungen des Vermieters?
 - Zeit gewinnen, nicht blockieren – Kommunikation offenhalten, aber Rechte nutzen
 
Eigenbedarf ist nicht automatisch gültig – sondern nur, wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind. Wer sich auskennt, kann viel gewinnen. Und oft reicht ein anwaltliches Schreiben, um die Kündigung ins Wanken zu bringen.
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