Wenn ein Räumungsurteil droht, steht für viele Menschen mehr auf dem Spiel als vier Wände. Familien mit Kindern, ältere Menschen, Schwerbehinderte oder kranke Mieter geraten besonders schnell in existentielle Not. Doch das Gesetz kennt Schutzmechanismen – und Gerichte urteilen nicht blind. Was zählt als sozialer Härtefall? Wer kann sich auf Räumungsschutz berufen? Und wie funktioniert der Antrag? Dieser Artikel zeigt, wann Menschlichkeit Recht bekommt – und wie man sie rechtzeitig geltend macht.
Was ist ein sozialer Härtefall?
Ein sozialer Härtefall liegt vor, wenn der Auszug aus der Wohnung für den Mieter oder seine Familie eine besondere, unzumutbare Härte bedeuten würde – die über das hinausgeht, was bei jeder Kündigung unausweichlich ist.
Typische anerkannte Härtefälle sind:
- hohes Alter, insbesondere bei langjährigem Wohnen
 - schwere Krankheit, körperlich oder psychisch
 - Schwangerschaft oder Geburt eines Kindes
 - Kinder im schulpflichtigen Alter
 - fehlende Alternativunterkunft trotz intensiver Suche
 - akute Gefahr der Obdachlosigkeit
 
Der Mieter muss die Umstände glaubhaft machen und auf Verlangen nachweisen – etwa durch ärztliche Atteste, Schulnachweise, Wohnungsabsagen, Meldeunterlagen.
Rechtsgrundlage: § 574 BGB
Der Schutz vor Kündigung wegen sozialer Härte ist in § 574 BGB geregelt. Danach kann der Mieter der Kündigung widersprechen und verlangen, dass das Mietverhältnis fortgesetzt wird.
Wichtig: Der Widerspruch muss spätestens zwei Monate vor Ablauf der Kündigungsfrist schriftlich erklärt werden.
Bei Räumungsklagen nach fristloser Kündigung greift zusätzlich § 765a ZPO: Hier kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Mieters die Räumung ganz oder vorübergehend untersagen, wenn die Durchführung eine „unbillige Härte“ darstellen würde.
Härtefall ≠ Kündigungsschutz auf Dauer
Auch wenn ein Härtefall anerkannt wird: Der Mieter erhält kein Wohnrecht auf Lebenszeit. Das Gericht kann eine befristete Fortsetzung des Mietverhältnisses anordnen oder eine Räumungsaussetzung für einige Monate gewähren.
In dieser Zeit soll der Mieter die Chance erhalten, Ersatzwohnraum zu finden oder seine Situation zu stabilisieren.
Gerichte prüfen streng – und wägen ab
Ein Härtefall wird nicht leichtfertig anerkannt. Gerichte prüfen im Einzelfall:
- Ist die Kündigung formell und materiell wirksam?
 - Welche Interessen hat der Mieter – und welche der Vermieter?
 - Gibt es wirklich keine Alternativen?
 - Wird der Vermieter durch die Verlängerung unzumutbar belastet?
 
Beispiel: Ein alleinlebender, 85-jähriger Mieter mit Pflegegrad, der seit 30 Jahren in seiner Wohnung lebt, hat bessere Chancen als ein gesunder Single mit kurzem Mietverhältnis.
Was kann der Vermieter tun?
Vermieter sollten soziale Aspekte bereits vor der Kündigung prüfen. Droht ein Härtefall, kann einvernehmliche Lösung sinnvoller sein als eine gerichtliche Auseinandersetzung. Denkbar sind:
- Aufhebungsverträge mit längeren Fristen
 - Angebote zur Umzugsunterstützung oder Maklerhilfe
 - Räumungsvereinbarungen mit Entschädigung
 
Wer klagt, obwohl ein Härtefall offensichtlich ist, läuft Gefahr, hohe Prozesskosten zu tragen – ohne Aussicht auf zeitnahe Räumung.
Gerichtsvollzieher darf nicht einfach räumen
Auch nach ergangenem Urteil darf eine Räumung nur erfolgen, wenn kein Räumungsschutzantrag gestellt wurde oder dieser abgelehnt ist. Liegt ein Antrag nach § 765a ZPO vor, muss das Gericht erneut entscheiden.
Die Vollstreckung ruht bis dahin. Der Gerichtsvollzieher darf die Wohnung nicht räumen – selbst wenn der Termin bereits angesetzt ist.
Härtefall – aber keine Wohnungsalternative?
In vielen Städten ist Wohnraum knapp – Sozialwohnungen erst recht. Wer sich auf einen Härtefall beruft, muss dokumentieren, dass er:
- sich aktiv um Ersatzwohnraum bemüht hat
 - auf Wartelisten steht oder Ablehnungen erhalten hat
 - Kontakt zu Sozialbehörden aufgenommen hat
 
Ohne solche Nachweise stehen die Chancen schlecht – auch wenn die Lebenssituation belastend ist.
Tipps der Redaktion
- Mieter: Härtefall rechtzeitig geltend machen – mit Nachweisen und Fristen
 - Vermieter: Nicht blind klagen – soziale Umstände prüfen
 - Beide Seiten: Besser Einigung als Eskalation – wo möglich, verhandeln
 - Gerichtsvollzieher räumt nicht bei jedem Urteil: Ohne Freigabe kein Zugriff
 - Beratung holen: Mietrechtliche Härtefälle gehören in anwaltliche Begleitung
 
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